EU-Kommission legt „Green Deal Industrial Plan“ vor

Punkten im Transformations-Wettbewerb?

16. Februar 2023 | Bericht

Mitgliedstaaten sollen leichter Subventionen für grüne Investitionen gewähren können.

Mit dem Industrie-Pan für den Green Deal möchte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der europäischen Industrie auf ihrem Weg zur Klimaneutralität eine Führungsrolle sichern. Doch der gute Impuls springt aus VCI-Sicht zu kurz. © picture alliance / EPA
Mit dem Industrie-Pan für den Green Deal möchte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der europäischen Industrie auf ihrem Weg zur Klimaneutralität eine Führungsrolle sichern. Doch der gute Impuls springt aus VCI-Sicht zu kurz. © picture alliance / EPA

Die USA haben mit ihrem „Inflation Reduction Act“ (IRA) Maßstäbe gesetzt und sind damit endlich zu einem Akteur der Klimapolitik geworden. Es ist gut, dass das Förderprogramm für grüne Technologien die Europäische Kommission zu ihrem „Green Deal Industrial Plan“ motiviert hat. Damit will die EU es den Mitgliedstaaten ermöglichen, leichter Subventionen für grüne Investitionen zu gewähren. Dieses Ziel ist richtig und wichtig. Doch die Gefahr ist groß, dass der EU-Plan nur an Symptomen herumdoktert. Klüger wäre es, die grundsätzlichen Webfehler des Green Deals anzugehen, mit dem die EU den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft forcieren will.

Am 01.02.2023 hat die Kommission ihren „Green Deal Industrial Plan for the Net-Zero Age“ (GDIP) vorgestellt. Vorangegangen waren intensive und sehr kontroverse Diskussionen, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für einen konstruktiven Prozess zusammengebunden hat.

In der öffentlichen Debatte wird der GDIP meist als eine Antwort auf den IRA der USA gesehen. Dieser hat ab Herbst die Diskussion in der EU sicher maßgeblich befeuert – der Plan der Kommission ist aber bewusst weiter gefasst und keine „Antwort auf den IRA“. Aus Industrie-Sicht ist dies positiv. Denn der IRA bietet der EU-Wirtschaft Chancen und Risiken: Die USA sind damit in den politischen Wettbewerb der unterschiedlichen Transformationsansätze eingestiegen. Zum Beispiel wird die Produktion von erneuerbaren Energien und Wasserstoff kraftvoll angeregt. Europas Industrie kann und wird davon profitieren. Zugleich wird aber der Wettbewerb um Investitionen unbestreitbar intensiviert. Und die Auflagen der USA, Vorprodukte wie Batteriematerialien lokal zu beziehen, sind diskriminierend.

Der IRA hat dem European Green Deal vor allem einen Spiegel vorgehalten – dieser ist nicht mehr das einzige Referenzmodell für ambitionierte Klimapolitik. Dem EU-Ansatz aus Verteuerung von CO2, kleinteiliger Regulierung, Märkte-Planung, auflagenbewehrter zäher Förderung und technologischer Einengung werden nun die Förderung und Verbilligung klimafreundlicher Verfahren und Produkte durch Steueranreize und Pragmatismus gegenübergestellt. Insofern hat der IRA eine wichtige Debatte ausgelöst: Der „European Green Deal“ ist ein möglicher Weg zur Transformation. Ob er effektiv, effizient und unter den neuen globalen Bedingungen noch zeitgemäß und damit Erfolg versprechend ist, wird sich im Wettbewerb herausstellen.

Geld (allein) ist nicht die Lösung

Die EU rückt Teile der Industrie durch den GDIP mehr in den Fokus des Green Deals und will deren Wettbewerbsfähigkeit mit vier Hebeln verbessern: Regulierung, Zugang zu Kapital, einer Skills-Agenda und Handelspolitik. Der „Industrie-Plan“ baut zum Teil auf Bestehendem auf, bleibt aber naturgemäß erst mal vage – er ist ein Diskussionskatalysator. Eine Einschätzung kann daher nur vorläufig sein.

Positiv ist, dass die Kommission nicht primär auf neue Fördertöpfe setzt. Es gibt bereits zahlreiche EU-Programme, die die Transformation unterstützen, aber Mittel werden oft nicht abgerufen, Verfahren dauern zu lange, Auflagen sind zu hoch. Daher ist es sinnvoll, bestehende Programme effizienter machen zu wollen; und auch Anpassungen am Beihilferecht können die Transformation erleichtern. Diesbezüglich ist der GDIP ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ebenfalls positiv ist, dass die EU mehr auf internationale Kooperation als auf Konfrontation und Protektion setzen will.

Auf der anderen Seite sehen wir mit Sorge, dass der „Industrie-Plan“ genau das zu werden droht – ein Plan, eine Planwirtschaft: Ziele zum Aufbau von Produktionskapazitäten sollen erfüllt werden. Dabei droht eine enge Definition und Begrenzung förderungswürdiger Produkte oder Technologien, eine Vereinfachung in „schwarz oder weiß“, „clean oder dirty“. Dies ist aber weder möglich noch zielführend. Produkt- und Prozessinnovationen sind das Ergebnis von komplexen Innovationsnetzwerken und Wertschöpfungsketten. Dies wird leider immer wieder ignoriert. Schönstes Beispiel hierfür ist die „Sustainable Finance“-Taxonomie. Die Herstellung von Elektrofahrzeugen ist demnach grün. Die Herstellung der Kernkomponente „Batterie“ jedoch nicht. Schilda lässt grüßen. Bessere Rahmenbedingungen für die Industrie insgesamt sind der Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit und erfolgreiche Transformation.

Vor allem aber droht der Impuls der Kommission zu kurz zu springen. Erleichterte Regulierung soll bestenfalls eng begrenzt ausprobiert werden dürfen. Der Green-Deal-Ansatz ist aber in seiner ganzen Ambition, Komplexität und Kleinteiligkeit für Unternehmen – große und kleine – zum Investitionshemmnis statt zum Leuchtturm für Investitionsentscheidungen geworden. Europa will zu viel gleichzeitig ändern, das überfordert Bürgerinnen, Bürger und Wirtschaft. Es fehlt an klaren Prioritäten und an einer Fokussierung auf das Wesentliche. Daher ist der Impuls der Kommission trotz guter Ansätze unzureichend. Ein echter „Green Deal Industrial Plan for the Net-Zero Age“ müsste eine ehrliche Bestandsaufnahme beinhalten: Was funktioniert, was ist zu viel, und welche Pfade führen am Ende am besten zu unseren Zielen?

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Abteilungsleitung Außenwirtschaft, Außenwirtschaftspolitik, europäische/nationale Industriepolitik