07. Juni 2022 | Position
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Gemeinsame Strategie von IG BCE und VCI zu einer Wasserstoffwirtschaft (Version 2.0)
PDF | 759 kB | Stand: 07. Juni 2022
Wasserstoff kann einen wichtigen Beitrag zur Klimaneutralität in der Chemie leisten.
Mit ihrem gemeinsamen Strategiepapier legen IG BCE und VCI einen Beitrag aus Sicht der Chemieindustrie zur politischen Diskussion über den Weg in die klimaneutrale Wasserstoffwirtschaft und die angestrebte Dekarbonisierung Deutschlands und Europas vor.
Wasserstoff und darauf aufbauende Produkte können einen substanziellen Beitrag zur Nutzung erneuerbarer Energien und zur Erreichung des Ziels der Klimaneutralität Deutschlands in allen Sektoren leisten. Für die Produktion wichtiger Basischemikalien wie Ammoniak und Methanol - beide wiederum Ausgangspunkte bedeutender chemischer Wertschöpfungsketten - werden heute etwas mehr als eine Millionen Tonnen Wasserstoff benötigt. In der Roadmap Chemie 2050 wird ein möglicher Weg in eine treibhausgasneutrale Chemie bis zum Jahr 2050 aufgezeigt, mit wesentlichen Beiträgen treibhausgasarm erzeugten Wasserstoffs. Darüber hinaus ist Wasserstoff für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland relevant, denn auch für die Dekarbonisierung anderer Industriebranchen wie Stahlerzeugung und Sektoren wie Verkehr, Gebäudewärme, und Energiewirtschaft wird Wasserstoff eine große Rolle spielen. Die Bundesregierung und die Europäische Kommission haben mit der Vorlage der nationalen und europäischen Wasserstoffstrategien jeweils eine politische Vision zur Entwicklung einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft aufgezeigt. Mit dem vorliegenden Strategiepapier legen IG BCE und VCI gemeinsam einen konstruktiven Beitrag zum anspruchsvollen politischen Diskurs auf dem Weg in eine klimaneutrale Wasserstoffwirtschaft und der angestrebten vollständigen Dekarbonisierung Deutschlands und Europas vor.
Im Zuge der angestrebten Dekarbonisierung muss jedoch die globale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie erhalten bleiben. Daher wollen IG BCE und VCI Treibhausgasneutralität mit industriellem Wachstum und guter Arbeit verbinden, nicht mit Deindustrialisierung. Global bedarf es industrieller Produktion für die nachhaltige Versorgung von zehn Milliarden Menschen in 2050. In Deutschland ist die Industrie Basis unseres Wohlstands und soll es bleiben.
Kernbotschaften
- Wasserstoff ist Ausgangspunkt wichtiger chemischer Wertschöpfungsketten. Für eine Dekarbonisierung der Branche bis 2050 bedarf es deshalb einer treibhausgasarmen Wasserstoffwirtschaft. Gleichzeitig müssen wettbewerbliche Bedingungen und die industrielle Basis erhalten werden. Erst dann sind die Voraussetzungen für eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft geschaffen.
- Die Chemieindustrie nutzt heute ca. 1 Mio. t Wasserstoff jährlich. Für eine Dekarbonisierung bis 2050 wird sich der Bedarf nahezu versiebenfachen. Die Abdeckung dieses großen Bedarfs und auch des Bedarfs anderer Branchen und Sektoren erfordert eine technologieoffene Betrachtung der treibhausgasarmen Wasserstofferzeugung. Entscheidend sollte der CO2-Fußabdruck und nicht das Herstellungsverfahren sein. So müssen neben der elektrolytischen Erzeugung von Wasserstoff mittels regenerativen Stroms auch alle übrigen Technologien offen betrachtet werden, die sich zur treibhausgasarmen Herstellung von Wasserstoff eignen, wie z.B. Chlor-Alkali-Elektrolyse, Methanpyrolyse sowie Dampfreformierung mit dem Einsatz von Biomethan und/oder CCS/CCU-Technologien (Speicherung/Nutzung des entstehenden Kohlenstoffdioxids bzw. Kohlenstoffs). Auch die Kreislaufwirtschaft sowie die Nutzung nachhaltiger Biomasse können und müssen signifikante Beiträge zur Dekarbonisierung leisten.
- Internationale Kooperation und Energieträgerimporte sind wichtig und rational, dürfen aber nicht zur Abwanderung von Wertschöpfungsstufen aus Deutschland führen. Die Pandemie zeigt sehr deutlich, dass globale Wertschöpfungsketten verwundbar sind und folglich eine inländische Absicherung der Grundstoffproduktion geboten ist. Es bedarf deshalb einer Industriestrategie zur Sicherung der inländischen Grundstoffproduktion.
- Das Wasserstoffdargebot sollte maximiert und nicht regulatorisch eingeschränkt werden, wie beispielsweise durch eine Diskriminierung von Erzeugungstechnologien oder durch praxisferne und restriktive Bezugskriterien für regenerativen Strom.
- Für einen erfolgreichen Markthochlauf treibhausgasarm erzeugten Wasserstoffs sind Gesamtstrompreise von maximal 4 ct/kWh erforderlich. Hierfür bedarf es der Einführung eines Industriestrompreises. Die Anrechnung treibhausgasneutral erzeugten Wasserstoffs in regulatorischen Zielgrößen sowie im Rahmen der Produktkennzeichnung muss ermöglicht und von energiesteuerlichen Anreizen flankiert werden. Ferner müssen Hemmnisse für Power Purchase Agreements beseitigt werden.
- Eine Wasserstoffwirtschaft erfordert den forcierten und kosteneffizienten Ausbau der erneuerbaren Energien sowie den beschleunigten Ausbau der Stromnetze. Zudem sind die in der nationalen Wasserstoffstrategie vorgesehenen Elektrolysekapazitäten nicht hinreichend ambitioniert, um den langfristigen Bedarf zu decken.
- Der Aufbau einer Wasserstoffnetzinfrastruktur ist notwendig. Zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs und effizienter Entgelte ist deren Regulierung erforderlich; für bestehende private Wasserstoffnetze bedarf es diesbezüglicher Übergangsregelungen. Da initial nicht alle Wasserstoffsenken angebunden werden können, ist ein bilanzieller Zugang zu treibhausgasarm produziertem Wasserstoff mittels technologieoffener und europäisch handelbarer Herkunftsnachweise erforderlich. Durch eine integrierte Netzplanung zwischen Strom, Erdgas und Wasserstoff sollten Synergien gehoben werden. Beimischungen von Wasserstoff in Erdgasnetze sollten nur auf Verteilnetzebene erfolgen, und auch nur, soweit sensible Verbraucher dadurch nicht beeinträchtigt werden. Eine Finanzierung der erforderlichen technologischen Investitionen kann durch Carbon Contracts for Difference (CCfD) erfolgen. Die konkrete Ausgestaltung ist noch zu erörtern.
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