Beschränkung von Microplastic

VCI-Position zum ECHA REACH Anhang XV Beschränkungsvorschlag

20. Mai 2019 | Position

Langfassung zu diesem Dokument

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat gemäß der REACH-Verordnung im Rahmen eines sogenannten Annex XV-Dossiers einen Vorschlag zur Beschränkung vorgelegt, der den Titel „Proposal for a Restriction - Substances Names: Intentionally added Microplastics“ trägt. Nahezu alle Aussagen im Dossier suggerieren, dass es sich um eine Beschränkung von Microplastics handelt. Tatsächlich adressiert die vorgeschlagene Beschränkung aber alle Polymere sowie praktisch alle polymerhaltigen bzw. polymerbeschichteten Materialien.

Größenbeispiel für Mikroplastik - Foto: © stock/adobe.com
Größenbeispiel für Mikroplastik - Foto: © stock/adobe.com

Zusammenfassung

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat, auf Bitten der Europäischen Kommission, gemäß der REACH-Verordnung im Rahmen eines sogenannten Annex XV-Dossiers einen Vorschlag zur Beschränkung vorgelegt, der den Titel „Proposal for a Restriction “Substances Names: Intentionally added Microplastics“ trägt. Zu diesem Annex XV-Dossiers läuft bis zum 20. September 2019 eine öffentliche Konsultation.

Der Titel der Beschränkung und auch nahezu alle Aussagen im Dossiers (z. B. Aussagen zur Stoffidentität oder zur Risikobewertung) suggerieren, dass es sich um eine Beschränkung von Microplastics handelt. Tatsächlich adressiert die vorgeschlagene Beschränkung aber alle Polymere sowie praktisch alle polymerhaltigen bzw. polymerbeschichteten Materialien. Die Vorgaben, Definitionen und der Geltungsbereich der Beschränkung sind so komplex und so umfangreich, dass unklar und unverständlich ist, was genau erfasst werden soll.

Nach Auffassung des VCI verstößt der Beschränkungsvorschlag gegen wichtige Vorschriften der REACH-Verordnung und gegen Grundsätze des Vorsorgeprinzips:

1. Keine ausreichende Beschreibung der Stoffidentität

Die allgemeine Adressierung aller Polymere oder ganz allgemein von Microplastics erfüllt nicht die Vorgaben der REACH-Verordnung an eine genaue Identifizierung der zu beschränkenden Stoffe. Insgesamt ist im ECHA Annex XV-Dossier unklar, was genau beschränkt werden soll - Polymere oder Microplastics. Die nach REACH erforderliche, genaue Identifizierung der zu beschränkenden Stoffe und eine darauf basierende Risikobewertung und Abschätzung sozioökonomischer Auswirkungen erfolgt nicht.

2. Fehlende Identifizierung von Gefahr (Hazard) und Risiko

Die Bestimmungen des Titels VIII der REACH-Verordnung werden missachtet, indem eine Beschränkung in Abwesenheit des ersten bestimmenden Elements des Risikos - einer identifizierten Gefahr (Hazard) – vorgeschlagen wird. Insgesamt wird mit einem lapidaren Hinweis auf die „extreme Beständigkeit“ (Persistenz) der Partikel ein fiktives, angebliches Risiko konstruiert, ohne dass es tatsächlich Anhaltspunkte auf ein reales Risiko gibt oder dass nach der wissenschaftlichen Risikobewertung irgendein begründeter Anlass zur Besorgnis abgeleitet werden kann.

3. Fehlende Detailtiefe in der Risikobewertung

Die Risikobewertung muss stoffbezogen sein. Ein „Grouping“ von Stoffen ist unter bestimmten, eng definierten Bedingungen zwar möglich; der gemäß der REACH-Verordnung notwendige Nachweis, dass alle von der Beschränkung erfassten Polymere bzw. die Microplastic-Materialien dieselben Eigenschaften haben und deshalb das gleiche Risiko zu erwarten ist, wird nicht erbracht.

4. Missachtung der Grundsätze und Standards zur Anwendung des Vorsorgeprinzips

Die Begründung, für die im Annex XV-Dossier vorgeschlagene Beschränkung, entspricht nicht dem Standard, der in der Europäischen Union zur Anwendung des Vorsorgeprinzips gefordert wird. Insgesamt sind die im Annex XV-Dossier vorgelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend, unvollständig und nicht schlüssig.

5. Fehlende Wirksamkeit, Effektivität und Verhältnismäßigkeit

Mit der vorgeschlagenen Beschränkung wird nur ein kleiner Bruchteil des in die Umwelt eingetragenen Microplastic erfasst. Die Vorgabe der REACH-Verordnung, dass eine Beschränkung geeignet sein muss, Risiken innerhalb einer angemessenen Frist und in einer angemessenen Weise auf ein annehmbares Maß zu verringern, wird somit nicht erfüllt.

Darüber hinaus wird es praktisch unmöglich sein, die Wirksamkeit der Beschränkung durch die Überwachung von Konzentrationen in der Umwelt analytisch nachzuweisen, die sich aus der Definition der zu beschränkenden Materialien mit der extrem weiten Größenbandbreite der Partikel von 1nm bis 5mm sowie den komplexen strukturellen Vorgaben von z. B. einer „kontinuierlichen Polymeroberflächenbeschichtungen jeder Dicke“ ergeben.

6. Fehlende Rechtsgrundlage für eine umfangreiche Produktkennzeichnung und für die vorgeschlagene unverhältnismäßige jährliche Meldepflicht

Es ist nicht akzeptabel, dass für nahezu alle von der Beschränkung ausgenommenen polymerhaltigen Produkte, eine detaillierte Kennzeichnung und eine umfangreiche jährliche Meldepflicht eingeführt werden soll. Diese wäre von allen nachgeschalteten Anwendern zu erfüllen. Für diese Vorgaben gibt es keine ausreichende Rechtsgrundlage.

Schlussfolgerungen/Empfehlungen:

  • Der VCI lehnt eine Beschränkung bestimmter, klar definierter Anwendung von Microplastics nicht grundsätzlich ab.
  • Befürwortet wird auch, dass Beschränkungsmaßnahmen im Rahmen der REACH-Verordnung erfolgen.
  • Damit die jetzt im Rahmen des Annex XV-Dossier von der ECHA vorgelegte Beschränkung den Vorgaben der REACH-Verordnung und den Grundsätzen des Vorsorgeprinzips entspricht, müssen allerdings umfangreiche Anpassungen erfolgen.
  • Erste Vorschläge für solche Anpassungen enthält die detaillierte VCI-Bewertung.

Hinweis:

Die vollständige VCI-Bewertung befindet sich im Download-Bereich im Kopf dieser Seite.

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Dr. Michael Lulei

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Dr. Michael Lulei

Abteilungsleitung Produktsicherheit, Internationale Chemikalienpolitik, Produkt- und Chemikaliensicherheit

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Beschränkungen und Zulassungen unter REACH, Mikrokunststoffe, Nanomaterialien unter REACH, Polymere