EU-Kommission

Fusionskontroll­verordnung

24. Februar 2023 | Bericht

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EU-Kommission schafft Unsicherheiten bei Fusionen – Bundesregierung sollte eingreifen.

Es bestehen große Vorbehalte gegen die neue Kommissionspraxis, da sie zu erheblicher Rechtsunsicherheit führt. © doganmesut/stock.adobe.com
Es bestehen große Vorbehalte gegen die neue Kommissionspraxis, da sie zu erheblicher Rechtsunsicherheit führt. © doganmesut/stock.adobe.com

Gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem deutschen Startup-Verband sowie anderen europäischen Verbänden und dem weltweit größten Unternehmensverband, der U.S. Chamber of Commerce, kritisiert der Verband der Chemischen Industrie die Neuinterpretation von Artikel 22 der europäischen Fusionskontrollverordnung durch die Europäische Kommission.

Nach Artikel 22 der EU-Fusionskontrollverordnung Nr. 139/2004 (FKVO) kann eine nationale Wettbewerbsbehörde ein Zusammenschlussvorhaben an die Kommission verweisen, wenn das Vorhaben den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und droht, den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des bzw. der antragstellenden Mitgliedstaaten erheblich zu beeinträchtigen.

Ursprünglich sollte der Verweisungsmechanismus nach Artikel 22 FKVO den Mitgliedstaaten, die über kein nationales Fusionskontrollsystem verfügten, die Möglichkeit geben, der Kommission als problematisch erachtete Transkationen zu melden. Im März 2021 änderte die Europäische Kommission diese Vorgehensweise jedoch und ermutigt nun die nationalen Wettbewerbsbehörden aktiv dazu, bestimmte Transaktionen auch dann zu verweisen, wenn die Schwellenwerte der Fusionskontrolle im jeweiligen Mitgliedstaat nicht erreicht werden. Der Hintergrund für diesen Wandel liegt in der (empfundenen) Durchsetzungslücke hinsichtlich bestimmter Zusammenschlüsse. Denn die Auswirkung der Übernahme eines innovativen Unternehmens auf den Wettbewerb wird dann nicht durch eine Wettbewerbsbehörde in der EU untersucht, wenn die zumeist umsatzbasierten Anmeldeschwellen in den jeweiligen Mitgliedstaaten durch die Zusammenschlussbeteiligten nicht erreicht werden, z. B. weil das innovative Unternehmen noch zu wenig Umsatz erzielt.

Das Gericht der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 13. Juli 2022 im Fall Illumina/GRAIL (Rechtssache T-227/21) diese neue Vorgehensweise der Kommission gebilligt. Der Rechtsstreit ist derzeit beim Europäischen Gerichtshof als nächste Instanz anhängig.

Der VCI wie auch die weiteren Verbände haben erhebliche Vorbehalte gegen die neue Kommissionspraxis, da sie zu erheblicher Rechtsunsicherheit führt. Damit schadet sie dem europäischen und deutschen Wirtschaftsstandort. Die von der EU-Kommission eigenmächtige Erweiterung ihrer eigenen Kompetenzen bei der Fusionskontrolle berühren ordnungspolitische Fragen, die dem Gesetzgeber vorbehalten sind. Der Kommission fehlt daher auch die demokratische Legitimation für einen solch weitgehenden Eingriff in die M&A-Landschaft.

Die Bundesregierung ist daher gefordert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten einer Verfestigung der Kommissionspraxis entgegenzutreten. Denn gerade in dieser angespannten wirtschaftlichen Gesamtlage sollte die Bundesregierung alles tun, um weiteren Schaden für den deutschen und europäischen Wirtschaftsstandort zu vermeiden. 

Eine ausführliche Bewertung der Kommissionsauslegung des Art. 22 FKVO enthält das gemeinsame Verbändepapier.