Virtuelle Hauptversammlungen

Wichtige Änderungen auf der Zielgeraden

08. Juli 2022 | Bericht

Bundestag verabschiedet Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen.

Auf der Zielgeraden wurden noch wichtige Änderungen beschlossen. © bluedesign/Fotolia.com
Auf der Zielgeraden wurden noch wichtige Änderungen beschlossen. © bluedesign/Fotolia.com

Am 7. Juli 2022 hat der Bundestag in 2./3. Lesung das „Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften“ mit der breiten Mehrheit der Koalitionsfraktionen, der Union und der Linksfraktion angenommen. Der federführende Bundestagsrechtsausschuss hatte zuvor wesentliche Änderungen beschlossen, die darauf abzielen, die virtuelle Hauptversammlung für die Gesellschaften praktikabler und rechtssicherer zu machen. Die Anpassungen waren notwendig, da der Regierungsentwurf ein zu komplexes Regelungsmodell mit „gedoppelten“ Aktionärsrechten aus der physischen und virtuellen Versammlungswelt vorgesehen hatte. Dadurch drohte, dass das virtuelle Versammlungsformat in der Praxis nicht genutzt wird. Der VCI hatte sich im Rahmen der Expertenanhörung vor dem Bundestagsrechtsausschuss für eine weitgehende „technische“ Gleichwertigkeit zwischen dem physischen und digitalen Versammlungsformat ausgesprochen und hierzu konkrete Änderungsempfehlungen formuliert.

Die wesentlichen Korrekturen, die in das finale Gesetz Eingang gefunden haben, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die Möglichkeit, in der Satzung bestimmte Gegenstände zu benennen, die nicht in einer virtuellen Hauptversammlung behandelt werden dürfen, wurde gestrichen (§ 118a Abs. 1 S. 2 AktG-RegE). Dadurch soll die Gleichwertigkeit von Präsenz- und virtueller Hauptversammlung hervorgehoben werden (S. 34 Drucks. 20/2653 ).
  • Anträge und Wahlvorschläge müssen zwingend im Wege der Videokommunikation in der virtuellen Hauptversammlung gestellt werden (§ 118a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AktG neu). Dadurch soll dem im Hauptversammlungsrecht geltenden Mündlichkeitsprinzip Rechnung getragen werden (S. 34 Drucks. 20/2653 ).
  • Der Vorstandsbericht muss nur noch vorab zugänglich gemacht werden, wenn die Gesellschaft von der Option der Fragen-Voreinreichung Gebrauch macht (§ 118a Abs. 1 S. Nr. 5 AktG neu).
  • Das Recht zur Einreichung von Stellungnahmen kann auf ordnungsgemäß zur Hauptversammlung angemeldete Aktionäre beschränkt werden (§ 130a Abs. 1 S. 2 AktG neu). In diesem Fall kann die Zugänglichmachung der Stellungnahmen auch über das HV-Portal (anstatt der Internetseite der Gesellschaft) erfolgen (§ 130a Abs. 3 S. 2 AktG neu). Bei der Zugänglichmachung vorabeingereichter Fragen und deren Beantwortung bleibt es dagegen bei der Pflicht für börsennotierte Gesellschaften zur Veröffentlichung auf deren Internetseite (§ 131 Abs. 1c AktG neu).
  • Das Live-Rederecht nach § 130a Abs. 5 AktG neu wurde in der Weise erweitert, dass auch Anträge und Wahlvorschläge Bestandteil des Redebeitrags sein dürfen. Eingeführt wurde ein neuer Satz 4, nach dem § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG für das Rederecht entsprechend gilt. Dadurch wird klargestellt, dass sich die für das Auskunftsrecht geltenden Beschränkungsmöglichkeiten des Versammlungsleiters auch auf das in § 130a Absatz 5 AktG neu enthaltene Rederecht erstrecken.
  • Neu eingeführt wurde das Recht der Gesellschaft, die Funktionsfähigkeit der Videokommunikation zwischen Aktionär und Gesellschaft „in der Versammlung und vor dem Redebeitrag“ zu überprüfen (§ 130a Abs. 6 AktG neu).
  • Zu § 131 Abs. 1b AktG neu ist nunmehr im Ausschussbericht (S. 35 Drucks. 20/2653 ) klargestellt, dass es die Beschränkungsmöglichkeit des Fragerechts auch zulässt, eine Gesamthöchstzahl an zulässigen Fragen vorzusehen.
  • Das Fragerecht in der virtuellen Hauptversammlung wurde vereinfacht:
    • § 131 Abs. 1d AktG neu gewährt ein allgemeines Nachfragerecht „zu allen vor und in der Versammlung gegebenen Antworten“.
    • § 131 Abs. 1e AktG neu räumt ein Fragrecht zu Sachverhalten ein, die sich erst nach Ablauf der Voreinreichungsfrist ergeben haben. Gestrichen wurde das weitere Fragerecht, wenn deren Beantwortung „innerhalb des angemessenen Zeitraums der Versammlung möglich ist“. Stattdessen gilt auch für das Fragerecht zu neuen Sachverhalten die Beschränkungsmöglichkeit des § 131 Abs. 2 S. 2 AktG.

Fazit

Wenngleich der politische Wille fehlte, das Versammlungsrecht insgesamt zu modernisieren und an die praktischen Gegebenheiten von Gesellschaften mit internationalem Aktionariat anzupassen, so tragen die finalen Änderungen doch dazu bei, dass auch künftig die virtuelle Hauptversammlung eine echte Option zur Präsenzversammlung bleiben wird. Reformbedarf besteht aber nach wie vor beim überschießenden Beschlussmängelrecht. Auch sollte das Problem der sog. Zufallsmehrheiten durch Spontananträge in der Hauptversammlung durch die Einführung einer grundsätzlichen Antragsvoreinreichungsobliegenheit entschärft werden.

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Dr. Tobias Brouwer

Kontaktperson

Dr. Tobias Brouwer

Abteilungsleitung Recht und Steuern, Compliance, Unternehmens- und Verbandsrecht