Außenwirtschaftspolitik der Ampel-Koalition

Stillstand, Warte­schleife oder Aufbruch?

27. Januar 2022 | Bericht

Handelspolitik wird im Koalitionsvertrag zum Instrument, um andere Staaten zu „nachhaltiger“ Politik zu bewegen.

Wichtiges Nadelöhr für den Welthandel: der Suez-Kanal. © Thomas Hadorn Fotografie
Wichtiges Nadelöhr für den Welthandel: der Suez-Kanal. © Thomas Hadorn Fotografie

Freier Handel ist derzeit in der Defensive. Klimawandel und Lieferengpässe prägten das Jahr 2021, ebenso der Wettbewerb mit autokratisch regierten Ländern. Der Wunsch nach mehr Klimaschutz droht gleichzeitig, Protektionismus in der EU salonfähig zu machen – 4 Jahre nach der Empörung über die Handelspolitik von Ex-US-Präsident Trump. Diese Tendenzen spiegeln sich auch im Koalitionsvertrag wider.

Moderne Regeln statt De-Globalisierung

Im Koalitionsvertrag steht ein klares Bekenntnis zu Freihandel und internationaler Kooperation, für WTO-Reformen und gegen Protektionismus. Das ist positiv, ebenso das Streben nach einer engen Partnerschaft mit den USA. Doch damit beginnt schon das „Aber“: Handelsverhandlungen werden mit den USA nicht angestrebt. Und generell haben es Handelsverträge künftig schwerer. Hohe Hürden werden aufgebaut, Umweltziele dominieren wirtschaftliche sowie geopolitische Interessen. Es bleibt zu hoffen, dass dadurch keine Lücken entstehen, die andere Staaten füllen. Denn Freihandelsabkommen sind wichtige Bänder für stabile Partnernetzwerke.

Ein weiteres Thema ist der Umgang mit Autokratien. Der Westen scheint fragiler als vor 20 Jahren. China, Russland und andere handeln hingegen aktiv. Die Ampel-Koalition will die Außenpolitik stärker werteorientiert ausrichten. Es ist wünschenswert, dass dabei „Realpolitik“ nicht in Vergessenheit gerät. Es ist geboten, wirtschaftliche Stärke und Wehrhaftigkeit zu erhöhen. Die Handlungsfähigkeit der EU muss durch schnellere Verfahren, neue Instrumente und Allianzen verbessert werden.

In der Gemengelage von aktiven Autokratien, spröde werdenden Lieferketten und Transformations-Herausforderungen erhebt die Koalition die Forderung nach einer souveräneren EU. Einseitige Abhängigkeiten zu überprüfen ist richtig - aber mit dem Ziel der Diversifizierung, nicht der Autarkie. Interdependenzen wie der Klimawandel verschwinden nicht durch Nabelschau, Entkopplung vergrößert Konfliktgefahren.

Die Möglichkeit einer Insel?

Andere Vorhaben betreffen Partner und Autokraten zugleich. Hierzu zählen die von der Ampel unterstützten Grenzausgleichsmaßnahmen, mit denen die EU ihren Ansatz zur CO2-Bepreisung weltweit verbreiten will. Es ist keine Ausgestaltung in Sicht, die die eigene Kraft nicht schwächt und keine Konflikte auslöst. Schlechten Vorbildern folgt aber niemand. Und Instrumente, die die WTO und das Pariser Abkommen in Frage stellen, bergen erhebliche Sprengkraft.

Handel trägt zum Klimaschutz und zu einer erfolgreichen Transformation bei, nicht Selbstisolation. Die Ampel will in der Klima-Außenpolitik Akzente setzen. Das unterstützen wir als Branche gerne, soweit auf internationale Zusammenarbeit gesetzt wird. Schließlich ist die deutsche Chemie in der Welt zu Hause und setzt auf den globalen Erfolg der Transformation - schon aus Eigeninteresse.

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