VCI-Position kompakt

Handelspolitik

22. Mai 2024 | Position

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Die Welthandelsordnung und die internationalen Lieferketten stehen unter Stress: Der Krieg in der Ukraine und der Hegemonialkonflikt zwischen den USA und China haben das geopolitische Umfeld radikal verändert. Zudem bleiben die Herausforderungen durch den Klimawandel bestehen, und hohe Energiekosten und Regulierungsdichte haben die internationale Wettbewerbssituation der deutschen Chemieindustrie erheblich verschlechtert.

Der Abbau einseitiger Abhängigkeiten und die Diversifizierung der Handelsbeziehungen gewinnen daher an Bedeutung.

Dessen ungeachtet setzt die EU jedoch stark auf Alleingänge beim Klima- und Umweltschutz – auch durch die Entwicklung unilateraler Handelsbarrieren wie „Grenzausgleichsmaßnahmen zum Klimaschutz“ (CBAM). Derweil finden die Verhandlungen mit dem Mercosur kein Ende, enden die Gespräche mit den USA im Rahmen des transatlantischen Trade and Technology Council (TTC) ergebnislos – und nach einer WTO-Ministerkonferenz muss Verhandlungsstillstand schon als gute Nachricht bewertet werden.

Handelsnation Deutschland unter Druck

Mit ihren Produkten trägt die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie als Teil innovativer internationaler Wertschöpfungsnetzwerke weltweit zu Wohlstand und den UN-Nachhaltigkeitszielen bei: Deutschland exportierte 2023 chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse im Wert von rund 254 Milliarden Euro. Im Gegenzug belief sich der Import auf 177 Milliarden Euro. Die Branche selbst importiert Rohstoffe, Vorprodukte und Technologie. Sie produziert global und nutzt die Nähe zu Absatzmärkten, spezifische Standortvorteile und ihren Know-how-Vorsprung auf Basis geistiger Eigentumsrechte. Unterdessen investieren und produzieren ausländische Unternehmen hier. Geopolitische Spannungen – zum Beispiel zwischen den USA und China, die jüngst in neuen US-Zöllen auf chinesische Produkte mündeten – setzen die Lieferketten unter Stress, sodass neben Effizienz und Nachhaltigkeit die Resilienz als Entscheidungskomponente in das Koordinatensystem der Unternehmen rückt. Es gilt, die Resilienz zu stärken, ohne sich zu isolieren. Denn ohne Handel drohen erhebliche Einbußen, und abnehmende internationale Vernetzung behindert die globale Transformation.

Suche nach Regeln fürs 21. Jahrhundert

Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie agiert im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO erfolgreich auf den Weltmärkten. Diese Handelsordnung erodiert schleichend. Die EU setzt in ihrer Handelspolitik unter den Prinzipien „open strategic autonomy“ und „economic security“ einseitig auf weitere Barrieren und Kontrollen. Besser wäre es, die EU für die globalen Herausforderungen fit zu machen, ohne ihre Offenheit aufzugeben. Handelsverträge könnten die Diversifizierung der Beziehungen und so die Resilienz erhöhen. Die globale Transformation bedarf kooperativer Ansätze, zum Beispiel im Rahmen des Klima-Clubs. Wo neue Kontrollen erforderlich sind, sollten diese begrenzt und die Verfahren möglichst schnell sein.

DAFÜR SETZT SICH DER VCI EIN

  • Moderne Handelsregeln schaffen und offene Märkte bewahren
    Der Zeitdruck für neue Handelsregeln, die Verbreitung nachhaltiger Technologien und diversifizierte Handelsbeziehungen ist groß. Deutschland und die EU sollten sich deshalb weiter und mit aller Kraft für offene Märkte und fairen Wettbewerb sowie gegen Protektionismus einsetzen. Klimaschutz sowie hochwertige Ernährung und Gesundheitsversorgung brauchen den Handel. Die WTO muss erhalten und modernisiert, bilaterale Abkommen (zum Beispiel mit Mercosur, Indien, Indonesien, USA) müssen geschlossen werden.
  • Kosten aus neuen Handelsbarrieren minimieren
    Die EU setzt darauf, Wettbewerbsnachteile durch Importe verteuernde Maßnahmen an der EU-Außengrenze auszugleichen oder im Namen der Sicherheit internationale Transaktionen zu kontrollieren. Der in Aussicht stehende europäische Industrial Deal muss solche Eingriffe begrenzen und möglichst schlank halten.
  • Wettbewerb mit China annehmen
    Die EU muss den geo- und industriepolitischen Strategien Chinas eine eigene Strategie entgegensetzen. Diese muss den Dreiklang „Partner – wirtschaftlicher Wettbewerber – systemischer Rivale“ in einer ganzheitlichen China-Politik abbilden, Risiken aus Abhängigkeiten reduzieren und zugleich Kooperationsangebote enthalten.

Kontakt

Für Fragen und Anregungen nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

Dr. Matthias Blum

Dr. Matthias Blum

Abteilungsleitung Außenwirtschaft, Außenwirtschaftspolitik, europäische/nationale Industriepolitik