VCI-Position kompakt

Handelspolitik

03. November 2022 | Position

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Die Welthandelsordnung und die internationalen Lieferketten stehen mehr denn je unter Stress: Der Krieg in der Ukraine hat das politische Umfeld radikal verändert. Der Systemwettbewerb mit China verschärft sich. Zudem bleiben die Herausforderungen des Klimawandels brisant, und auch die Bekämpfung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen dauert noch immer an. Aktuell belastet der Anstieg der Energiekosten die Wettbewerbssituation der Chemie erheblich.

Auf der Suche nach handelspolitischen Antworten auf all diese Herausforderungen gewinnen der Abbau strategischer Abhängigkeiten und die Diversifizierung der Beziehungen an Bedeutung. Stattdessen richtet die EU ihre Politik unverändert auf eine Vorreiterrolle beim Klima- und Umweltschutz aus – auch durch die Entwicklung unilateraler Handelsbarrieren wie „Grenzausgleichsmaßnahmen zum Klimaschutz“ (CBAM).

Handelsnation Deutschland unter Druck

Mit ihren Produkten trägt die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie als Teil innovativer internationaler Wertschöpfungsnetzwerke weltweit zu Wohlstand und den UN-Nachhaltigkeitszielen bei. Deutschland exportierte 2021 chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse im Wert von mehr als 230 Milliarden Euro, knapp die Hälfte davon in Länder außerhalb der EU. Zugleich belief sich der Import entsprechender Produkte auf mehr als 162 Milliarden Euro. Auch die Chemie- und Pharmaindustrie importiert Rohstoffe, Vorprodukte sowie Technologie. Die Branche produziert global und nutzt die Nähe zu Absatzmärkten, spezifische Standortvorteile und ihren Know-how-Vorsprung auf Basis geistiger Eigentumsrechte. Unterdessen investieren und produzieren ausländische Unternehmen hier. Ohne Handel droht ein erheblicher Verlust an Wertschöpfung. Zudem wird die internationale Vernetzung der Transformation der Weltwirtschaft im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele helfen. Allerdings setzten erst die Corona-Pandemie und dann die veränderte geopolitische Lage den Liefernetzwerken zu. Neben Effizienz und Nachhaltigkeit rückt nun auch die Resilienz als zusätzliche Maßgabe in das Koordinatensystem der Unternehmen.

Suche nach Regeln fürs 21. Jahrhundert

Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie hat sich im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO erfolgreich in die Weltmärkte und die internationale Arbeitsteilung integriert. Diese Handelsordnung erodiert seit Jahren schleichend, ein neuer Ordnungsrahmen ist nicht in Sicht. Die EU hat ihre neue Handelsstrategie am Grundsatz der „open strategic autonomy“ ausgerichtet: Es gilt, die EU für die globalen Herausforderungen fit zu machen, ohne ihre Offenheit infrage zu stellen. Diversifizierte Beziehungen würden die Resilienz erhöhen. Die EU ist hier aber sehr langsam. Während zum Beispiel das Abkommen mit dem gemeinsamen Markt Südamerikas „Mercosur“ ratifizierungsbereit auf Eis liegt, wurden in Asien mit den beiden großen Handelsabkommen RCEP und CPTPP Fakten geschaffen.

DAFÜR SETZT SICH DER VCI EIN

  • Moderne Handelsregeln und offene Märkte statt Alleingänge und Protektionismus
    Deutschland und die EU sollten sich für offene Märkte, Regeln für fairen Wettbewerb und gegen Protektionismus einsetzen. Klimaschutz, Ernährung, Gesundheitsversorgung und Wohlstand brauchen Handel. Die WTO ist eine wichtige Basis hierfür, sie bedarf aber der Modernisierung oder Ergänzungen.
  • Systemwettbewerb mit China annehmen
    Die EU muss den geo- und industriepolitischen Strategien Chinas eine eigene Strategie entgegensetzen. Sie sollte Unternehmen im Systemwettbewerb mit China unterstützen und sich dabei mit Partnern abstimmen.
  • Allianzen mit den USA und anderen Partnern durch Handelsabkommen schließen
    Der Zeitdruck für neue Regeln, die Verbreitung nachhaltiger Technologien und diversifizierte Handelsbeziehungen ist groß. Daher sind internationale Abkommen unverzichtbar. Die EU sollte im Transatlantischen Technologie- und Handelsrat eng mit den USA zu Transformations- und Sicherheitsthemen zusammenarbeiten.
  • Wettbewerbsnachteile durch Green Deal ohne Abschottung vermeiden
    Durch die ambitionierten Ziele und Maßnahmen des Green Deals drohen der Industrie in Europa Wettbewerbsnachteile. Diese durch einseitige Maßnahmen an den Außengrenzen auszugleichen, die statt auf Entlastungen auf die Verteuerung von Importen setzen, birgt Risiken und Belastungen, die vermieden werden müssen.

Kontakt

Für Fragen und Anregungen nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

Dr. Matthias Blum

Kontaktperson

Dr. Matthias Blum

Abteilungsleitung Außenwirtschaft, Außenwirtschaftspolitik, europäische/nationale Industriepolitik