Genehmigungsverfahren

Mehr Dampf bitte!

16. März 2020 | Standpunkt

Zu langsam, zu bürokratisch, zu komplex – von der aufreibenden Genehmigungspraxis für Infrastrukturvorhaben können viele Projektleiter ein Lied singen. Ganz gleich, ob neue Windräder oder eine Chemieanlage gebaut werden sollen: Investitionen und Innovationen werden durch immer kompliziertere Verfahren ausgebremst. Das schadet den Unternehmen. Der VCI hat fünf Vorschläge formuliert, wie es besser geht.

Langwierige und schwierige Genehmigungsverfahren machen den Wirtschaftsstandort Deutschland immer unattraktiver. - Foto: © BASF SE
Langwierige und schwierige Genehmigungsverfahren machen den Wirtschaftsstandort Deutschland immer unattraktiver. - Foto: © BASF SE

Noch vor gut zehn Jahren galten deutsche Genehmigungsverfahren als verlässlich und damit als positiver Standortfaktor. Das hat sich grundlegend gewandelt: Wesentliche Probleme entstehen aus einer intransparenten Ausweitung der Bürgerbeteiligungen, aus den neuen Vorgaben im Stoffrecht sowie aus der neuen Sicherheitsabstandsregelung im Bundesimmissionsschutzgesetz. Hinzu kommt, dass EU-Vorgaben in Deutschland äußerst streng ausgelegt werden. Immer wieder verzichtet der deutsche Gesetzgeber ohne Not darauf, seine Regelungsspielräume zu nutzen. Zudem legen Behörden unklare Rechtsbegriffe wie „erheblich“ oder „angemessen“ immer restriktiver aus.

Rechtsverbindliche Standards wie Technische Anleitungen können dabei helfen, die Zahl und den Umfang von Gutachten zu reduzieren.
Rechtsverbindliche Standards wie Technische Anleitungen können dabei helfen, die Zahl und den Umfang von Gutachten zu reduzieren. © BDI

Und das sind nicht die einzigen Bremsen: Laut Bundesverband der Deutschen Industrie kam ein Genehmigungsverfahren vor 15 Jahren noch mit durchschnittlich zwei Gutachten aus. Heute sind es fünf bis zehn. Außerdem sind Gutachter inzwischen Mangelware. Das verzögert dringende Investitionen. Davon besonders betroffen sind die fast 2.000 mittelständischen Chemieunternehmen: Sie können sich im Gegensatz zu Konzernen häufig keine eigenen Abteilungen für Genehmigungsverfahren leisten.

Die Bundesregierung hat zwar erste positive Schritte für schnellere Genehmigungen für die Infrastruktur eingeleitet, aber bei Genehmigungen für Industrieanlagen kommt die Große Koalition nicht voran. Dabei hatten CDU/CSU und SPD schon in ihrem Koalitionsvertrag erkannt, dass „langwierige und bürokratische Planungs- und Genehmigungsverfahren ein massives Hindernis für neue Investitionen in Betriebe und neue Infrastrukturen sind“.

Genehmigungspraxis bremst Klimaschutz

Zügige Verfahren spielen aber nicht nur für die internationale Wettbewerbsfähigkeit eine wichtige Rolle, sondern auch für den Klimaschutz. Die Chemieindustrie will bis 2050 treibhausgasneutral produzieren. Elementare Voraussetzung hierfür: Planungs- und Rechtssicherheit bei der Genehmigung und dem Betrieb neuer Anlagen. „Zukunft kann nicht auf den Sankt Nimmerleinstag warten. Der Faktor Zeit ist entscheidend für Innovationen und Investitionen am deutschen Standort“, unterstreicht VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup.

Fünf Vorschläge vom Chemieverband

Mit Blick auf diese unbefriedigende Situation hat der VCI jetzt fünf Empfehlungen für ein besseres Planungs- und Genehmigungsrecht ausgesprochen:

  • 1. Das Umweltschutzrecht sollte vereinfacht werden, indem die Politik Rechtsvorschriften konsolidiert. Das Ziel: Doppelregulierungen vermeiden und Rechtsklarheit schaffen.
  • 2. Auch die Verfahren sollten entschlackt werden. So könnte die deutsche Ratspräsidentschaft beispielsweise genutzt werden, um eine Reform der „Aarhus-Konvention“ anzustoßen. Sie regelt den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten.
  • 3. Der Chemieverband plädiert für klare handhabbare Rechtsbegriffe: Anforderungen und Vollzugsvorschriften müssen praxisnah, eindeutig und unmissverständlich formuliert werden.
  • 4. Der Fachkräftemangel macht auch vor den Behörden nicht halt. Sie müssen dringend mehr Personal einstellen, um den Bearbeitungsstau aufzulösen. Das Wissen muss außerdem bei einem Generationenwechsel an neue Mitarbeiter weitergegeben werden. Kontinuierliche Schulungen sind ebenfalls wichtig.
  • 5. Ein klarer und frühzeitiger Dialog mit allen Beteiligten unterstützt ein effizientes Anlagenzulassungsrecht.

Große Entrup ist überzeugt: „Unsere Empfehlungen können dazu beitragen, dass Genehmigungen künftig zügiger und rechtssicher erteilt werden. Ein „weiter so“ kann sich Deutschland nicht mehr erlauben. Die Bundesregierung muss endlich zu Taten schreiten.“

Dieser Artikel stammt aus dem chemie report 03/2020.

Kontakt

Für Fragen und Anregungen nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

 Monika von Zedlitz

Kontaktperson

Monika von Zedlitz

Pressesprecherin Bildungs-/Forschungspolitik, Verkehrsinfrastruktur/Logistik/TUIS, Genehmigungsverfahren/Anlagensicherheit/Chemieparks, Recht/Steuern, Responsible Care, Expertenticker Umwelt & Sicherheit