Nachbericht zum zweiten Workshop von Chemistry4Climate

Spezialchemie wird wichtiger

04. November 2020 | Bericht

Der zweite Workshop der VCI/VDI-Klimaschutzplattform Chemistry4Climate war volkswirtschaftlichen Grundlagen gewidmet. Für die Entwicklung der Chemie hin zur Treibhausgasneutralität spielt es eine große Rolle, wie sich einzelne Bereiche der Chemie sowie die Volkswirtschaft als Ganzes in Zukunft entwickeln.

Der zweite Workshop der VCI/VDI-Klimaschutzplattform Chemistry4Climate war volkswirtschaftlichen Grundlagen gewidmet. - Bild: © (c) Chemistry4Climate
Der zweite Workshop der VCI/VDI-Klimaschutzplattform Chemistry4Climate war volkswirtschaftlichen Grundlagen gewidmet. - Bild: © (c) Chemistry4Climate

Die Roadmap des VCI von 2019 hatte vor allem die Basischemie analysiert, in der etwa 80 Prozent der Emissionen der Gesamtbranche entstehen. In der Studie wurde vorausgesetzt, dass die deutsche Basischemie 2050 immer noch die gleiche Produktion wie heute aufweist. Als Folge errechnete die Studie einen sehr hohen Strombedarf, um diesen Bereich treibhausgasneutral stellen zu können.

Im Workshop wurden wesentliche Annahmen der Roadmap erneut unter die Lupe genommen. Stimmt der Fokus auf die Basischemie noch, den die Roadmap gesetzt hatte? Sind die Annahmen zur Entwicklung der allgemeinen Wirtschaft und einer stagnierenden Basischemieproduktion noch zu halten?

Wie die VCI-Volkswirte im Workshop den Expertinnen und Experten erläuterten, konzentrierte sich die Roadmap deshalb auf die Grundstoffchemie, weil diese den höchsten Energiebedarf und damit auch das höchste CO2-Einsparpotenzial aufweist. Allerdings wurde vorgeschlagen, die damalige statische Annahme für ein Nullwachstum bis 2050 durch eine dynamischere Sichtweise zu ersetzen, die dazu führt, dass die deutsche Basischemie bis 2050 eher einen Produktionsrückgang aufweisen dürfte. Dazu dürften demographische Entwicklungen in Europa und ein geringeres Wachstum bestimmter Kundenbranchen, aber auch Trends wie eine stärkere Kreislaufwirtschaft und mehr Nachhaltigkeit beitragen.

Bei Polymeren steht laut Analyse der Volkswirte dagegen eher ein leichtes, in der Spezialchemie und vor allem bei Pharmazeutika sogar ein starkes Wachstum in Aussicht. Diese Bereiche sind weit weniger treibhausgasintensiv als die Basischemie.

Eine große Rolle werden zudem die Digitalisierung verbunden mit eher serviceorientierten Geschäftsmodellen spielen, wodurch wachsende Umsätze der Branche auch ohne eine wachsende Produktion erreichbar sind. Oder anders ausgedrückt: Durch den höheren Dienstleistungsanteil wird das Wertwachstum zunehmend vom Mengenwachstum entkoppelt. Das ist ein Vorteil für die zukünftige Klimabilanz der Chemie.

Die Verschiebung von Basis- zu Spezialchemie und der Trend zu mehr Dienstleistungen soll daher auch als Diskussionsgrundlage in die zweite Phase von Chemistry4Climate einfließen, einigten sich die Teilnehmer. Denn in diesen Bereichen gibt es auch ein großes Potential zur Vermeidung von Emissionen. Die VCI-Volkswirte stellten aber klar, dass die Hürden für die Transformation der Basischemie hoch bleiben, selbst wenn die Stakeholder zu dem Schluss kommen, dass der Strombedarf 2050 niedriger ausfallen dürfte als die bisher prognostizierten rund 630 Terrawattstunden. Auch sei klar, dass die Branche die nötigen Investitionen in neue Verfahren der Basischemie nur mit einem soliden Wirtschaftswachstum der Branche stemmen könne.

In der kommenden zweiten Phase von Chemistry4Climate ab 2021 sind interessante Diskussionen zu erwarten, wie eine digitale Umfrage im Workshop zeigte, bei der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Sicht auf zukünftige Trends abgeben konnten. Das Stimmungsbild ist nicht einheitlich: Während einige beispielsweise sehr optimistisch sind, dass 2050 sehr viel Biomasse und Recyclingmaterial für die Chemie zur Verfügung stehen, sehen andere eher ein geringes Potential.