VCI-POSITION

Sicherung der industriellen Stromversorgung

23. März 2023 | Position

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Das Bundeskabinett hat den „Bericht zum Monitoring der Versorgungssicherheit Elektrizität“ verabschiedet.

Der „Bericht zum Monitoring der Versorgungssicherheit Elektrizität“ untersucht die Stromversorgungssicherheit im Mittelfristhorizont von 2025 bis 2031 und kommt zu dem Schluss, dass die Stromversorgung in diesem Zeitraum jederzeit gesichert sei. © chalabala/stock.adobe.com
Der „Bericht zum Monitoring der Versorgungssicherheit Elektrizität“ untersucht die Stromversorgungssicherheit im Mittelfristhorizont von 2025 bis 2031 und kommt zu dem Schluss, dass die Stromversorgung in diesem Zeitraum jederzeit gesichert sei. © chalabala/stock.adobe.com

Am 1. Februar 2023 hat das Bundeskabinett den „Bericht zum Monitoring der Versorgungssicherheit Elektrizität“ verabschiedet, der von der Bundesnetzagentur vorgelegt wurde. Der Bericht untersucht die Stromversorgungssicherheit im Mittelfristhorizont von 2025 bis 2031 und kommt zu dem Schluss, dass die Stromversorgung in diesem Zeitraum jederzeit gesichert sei. Dies gelte auch, wenn der Stromverbrauch durch neue Verbraucher wie Elektromobile und Wärmepumpen deutlich steigt und der Kohleausstieg bis 2030 erfolgt.

Die generelle Schlussfolgerung des Berichts, dass die Versorgungssicherheit bis 2030 gesichert sei, beruht in vielerlei Hinsicht auf Best-Case-Grundannahmen hinsichtlich der Umsetzung der Energiewende, die als Voraussetzung alle umgesetzt oder eingehalten werden müssten:

  • So wird von einer Verdreifachung des Ausbaus erneuerbarer Erzeugungskapazitäten ausgegangen. Bis 2030 sollen die Erzeugungskapazitäten von Offshore- und Onshore-Wind sowie Photovoltaik von ca. 123 GW auf 360 GW Kapazität gesteigert werden.
  • Der Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze erfolgt gemäß Netzentwicklungsplan und Bundesbedarfsplangesetz.
  • Zur Sicherung der Versorgung ist laut Bericht ein Zubau von 17-21 GW Gaskraftwerken nötig (H2-Ready). Bei der Auftaktveranstaltung der Plattform Klimaneutrales Stromsystem wurde die Spannweite sogar auf 17-25 GW ausgeweitet.
  • Bis 2030 werden zudem 41,2 GW zusätzliche (zu einem großen Teil industrielle) Flexibilitätsoptionen benötigt. Hinzu kommen E-Autos (15,7 Mio) und Wärmepumpen (5,8 Mio), die überwiegend steuerbar sein sollen.
  • Die Importabhängigkeit soll deutlich ansteigen – ohne dass angedeutet wird, von welchen Nachbarländern ein entsprechender Ausbau der Stromerzeugungskapazität erwartet wird.
  • Des Weiteren werden in dem Bericht für 2030 Flexibilitätspotenziale angenommen, die durch das Marktmodell endogen zugebaut werden können. Dabei wird von einem freiwilligen Lastverzicht der Industrie von 13,6 GW ausgegangen, was potenziell mehr als die Hälfte der derzeitigen industriellen Stromleistung betrifft.
  • Zudem sollen Netzersatzanlagen (NEA) künftig auch für den Strommarkt aktiviert werden. Laut Marktstammdatenregister betrifft dies rund 4.000 Notstromaggregate in Deutschland, die für diese Anforderung weder ausgelegt noch genehmigt worden sind.

Diese Grundannahmen sind jede für sich bereits äußerst ambitioniert. Gemessen an bisherigen Ausbaufortschritten ist die Einhaltung aller Annahmen sehr unwahrscheinlich. Der VCI unterstützt die angestrebte Transformation des Energiesystems, die eine Grundvoraussetzung für die Klimaneutralität der Industrie darstellt. Zugleich muss jedoch dringend verhindert werden, dass der Ausbau der Erneuerbaren und die weitere Abschaltung vorhandener Kraftwerke zulasten der Strom-Versorgungssicherheit geht und zu einer wachsenden Abhängigkeit von Stromlieferungen aus dem europäischen Ausland führt, welches ja grundsätzlich vor einer ähnlich anspruchsvollen Transformation steht.

Sollte es künftig zu Engpässen in der Stromversorgung kommen, drohen vor allem der Industrie ungeregelte Abschaltungen zur Stabilisierung der Netze, wenn der Engpass nicht über marktliche Maßnahmen behoben werden kann (basierend auf § 13 (2) EnWG). Die vorbereitenden Maßnahmen im Zusammenhang mit der Erdgasmangellage haben eindrucksvoll gezeigt, wie gravierend sich dies auf die Industrie auswirken würde. Bereits das Risiko derartiger massiver Eingriffe reicht aus, um dringend benötigte Investitionen aufgrund fehlender Planungssicherheit deutlich negativ zu beeinträchtigen und die Wettbewerbsfähigkeit des bereits unter hohen Energiepreisen leidenden Industriestandorts Deutschland weiter zu reduzieren.

Dafür setzt sich der VCI ein

  • Der Ausbau fluktuierender Leistung aus Erneuerbaren, zusätzlicher steuerbarer Kapazitäten (v.a. H2-Ready Gaskraftwerke), die Aktivierung von nachfrageseitigen Flexibilitätsoptionen sowie der Netz- und Infrastrukturausbau müssen wesentlich besser als in der Vergangenheit miteinander synchronisiert werden.
  • Gleichzeitig muss jede (weitere) Stilllegung vorhandener Kraftwerkskapazität (Kernkraftwerke, Reservekraftwerke etc.) zeitgleich durch entsprechenden Zubau an gesicherter und steuerbarer Leistung kompensiert werden, wenn das bestehende Risiko (Abhängigkeit von Importen) nicht weiter erhöht werden soll.
  • Die Ausbaufortschritte bei Erneuerbaren, steuerbarer Leistung, Flexibilitätsoptionen, und der Infrastruktur sollten in einem stetigen und integrierten Monitoring überwacht werden.

Die langfristige Versorgungssicherheit muss dabei ein Kernelement des zukünftigen Strommarktdesigns darstellen, das auf volatiler EE-Erzeugung basieren wird.

Kontakt

Für Fragen und Anregungen nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

 Heinrich Nachtsheim

Kontaktperson

Heinrich Nachtsheim

Energiepolitik; Wasserstoff