Wie Digitalisierung und zirkuläres Wirtschaften die Branche verändern

Fragen und Antworten zu Chemie 4.0

12. Dezember 2017 | Bericht

Ende September hat der VCI mit Deloitte die Studie „Chemie 4.0 – Wachstum durch Innovationen in einer Welt im Umbruch“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Darin ist von einem „Paradigmenwechsel“ in der Branche die Rede, der durch Digitalisierung und zirkuläre Wirtschaft geprägt ist. Seither wird in Unternehmen und Verbandsgremien intensiv über die Ergebnisse diskutiert. Die dabei wichtigsten Fragen und VCI-Antworten im Überblick:

Digitalisierung und zirkuläre Wirtschaft werden kommen. Noch werfen die Themen aber Fragen auf. - Foto: © maxsim/stock.adobe.com
Digitalisierung und zirkuläre Wirtschaft werden kommen. Noch werfen die Themen aber Fragen auf. - Foto: © maxsim/stock.adobe.com

Was ist so neu an Chemie 4.0, dass von einer neuen Entwicklungsphase in der Branche gesprochen wird?

Einige Zweifler sagen, dass das Thema Digitalisierung schon seit Jahrzehnten den betrieblichen Alltag bestimme und die Branche sich in ihrer 150-jährigen Geschichte von Beginn an mit zirkulärer Wirtschaft beschäftigt habe. Beide Einwände sind richtig, greifen aber zu kurz. 1850 lebten auf der Welt nur 1,3 Milliarden Menschen. Heute sind es knapp 8 Milliarden, die dank der industriellen Revolution über erheblich mehr Güter verfügen. Mit dem rasanten Wachstum ging ein enormer Ressourcenverbrauch einher. Die Endlichkeit fossiler und mineralischer Ressourcen zwingt Unternehmen, Politik und Gesellschaft zum Handeln. Vor allem die Ressourcenschonung über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg wird zunehmend wichtiger und erfordert zukünftig verstärkt die Zusammenarbeit über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg. Dadurch verändern sich die Geschäftsmodelle und die Wertschöpfungsstrukturen – auch in der Chemieindustrie.

Hinzu kommt eine technologische Revolution, die unter dem Stichwort „Digitalisierung“ subsumiert wird. Noch vor 30 Jahren wurden Informationen zu nahezu 100 Prozent analog gespeichert. Auch Telekommunikation, Rundfunk und Fernsehen waren überwiegend analog. Durch das Internet hat sich die Informations- und Kommunikationstechnologie digitalisiert. Informationsspeicher- und Übertragungskapazitäten haben sich in den letzten Jahrzehnten alle 4 Jahre verdoppelt. Damit hat sich der Stellenwert von dem erhöht, was heute unter dem Begriff „Big Data“ zusammengefasst wird. Daten sind ein zusätzlicher, neuer Rohstoff geworden – auch für die Chemieindustrie.

Ist zirkuläre Wirtschaft nur ein anderes Wort für Recycling?

Nein. Zirkuläre Wirtschaft ist mehr als Recycling, auch wenn die breite Öffentlichkeit unter Kreislaufwirtschaft vor allem die stoffliche Verwertung von Abfällen als Rohstoff (Recycling) versteht. Hier ist die deutsche Wirtschaft schon weit vorangeschritten. Aktuell wird knapp die Hälfte (46 Prozent) des Kunststoffabfalls (5,9 Millionen Tonnen pro Jahr) durch Recycling wieder stofflich genutzt, 53 Prozent werden energetisch verwertet. Verschiedene industrielle Rücknahmesysteme von der Chemie oder chemienahen Unternehmen sind im Markt etabliert, so beispielsweise für das Recycling von Fensterprofilen, Agrarfolien und Chemiepaletten. Und die energetische Verwertung von Kunststoffen trägt dazu bei, dass aus Abfällen Energie und Wärme gewonnen wird.

Aber nicht alle Produkte unserer Branche lassen sich so wieder verwenden, weil sie Verbrauchsmaterialien sind – zum Beispiel Waschmittel, Kosmetika, Medikamente oder Pflanzenschutzmittel. Sie können kaum in stofflichen Kreisläufen recycelt werden. Gleiches gilt für fein verteilte Chemikalien, wie Klebstoffe, Farben oder Lacke.

Es gibt also noch viel zu tun. Unter zirkulärem Wirtschaften versteht der VCI Ressourcenschonung über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg. Das erfordert zukünftig die Zusammenarbeit über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg. Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsstrukturen werden sich ändern. Die Chemieindustrie kann laut der Studie „Chemie 4.0“ von der Entwicklung profitieren, indem sie ihre Rohstoffbasis verbreitert, Stoffkreisläufe schließt, zur Ressourcenschonung während der Nutzungsphase beiträgt oder den Kunden Recyclinglösungen anbietet.

Wie wird die Digitalisierung die Branche verändern?

Mithilfe der Digitalisierung können die Unternehmen ihre Prozesse optimieren und neue Wachstumsfelder erschließen. Sie können in großem Umfang interne und externe Daten erheben, digital speichern, transportieren und auswerten. Diese technologische Entwicklung bietet enorme Chancen, um betriebliche Prozesse nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Verwaltung, in der Logistik, im Einkauf, im Marketing und im Innovationsprozess zu optimieren. Doch damit längst nicht genug. Denn zukünftig können die Unternehmen ihr Produktportfolio um digitale Dienstleistungen erweitern oder sich mit digitalen Geschäftsmodellen neue Märkte erschließen. Hierbei hat die deutsche Chemie aufgrund ihrer hohen Innovationskraft und des bestehenden industriellen Netzwerkes eine gute Startposition. Die Branche ist bereit, Milliarden von Euro in Digitalisierungsprojekte zu investieren. Auch der Mittelstand beschäftigt sich intensiv mit den Möglichkeiten der Digitalisierung. Das stimmt zuversichtlich.

Wie wirkt sich die Digitalisierung in der Chemie auf die Arbeitsplätze aus?

Von besonderem Interesse bei Mitarbeitern und in der öffentlichen Diskussion ist die Frage nach den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt in der Chemie. Die Entwicklungen am Arbeitsmarkt waren kein Schwerpunkt der Studie. Dennoch lässt sich sagen, dass sich die Digitalisierung insgesamt positiv auf die Beschäftigung in Deutschlands drittgrößter Branche auswirken wird. Die Optimierung der Geschäftsprozesse stärkt die Wettbewerbsfähigkeit, und die Erschließung neuer Geschäftsfelder bringt zusätzliches Wachstum. Allerdings werden sich die benötigten Qualifikationen verändern, bestimmte Tätigkeiten wegfallen und neue Tätigkeitsfelder herausbilden.

VCI unterstützt Mitgliedsunternehmen

Häufig wird die Frage gestellt, ob und wie der VCI seine Mitgliedsunternehmen bei der Transformation mit Serviceangeboten unterstützt. Dies war auch eine Handlungsempfehlung der Studie „Chemie 4.0“. Schwerpunkt der Verbandsarbeit wird die industriepolitische Begleitung des Wandels sein. Denn damit aus innovativen Ideen rasch marktfähige Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle werden, benötigen die Unternehmen vor allem verlässliche und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen. Der VCI hat sich aber entschlossen, sein Serviceangebot im Hinblick auf den Mittelstand weiter auszubauen. Neben fokussierten Informationsveranstaltungen zum Erfahrungsaustausch und der Sammlung von Best-Practice-Beispielen sind unter anderem ein „Readiness Check“, Leitfäden sowie Musterverträge geplant.

Dieser Artikel ist im chemie report 12/2017 erschienen.


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Dr. Henrik Meincke

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Abteilungsleitung Volkwirtschaft, Wirtschafts- und Industriepolitik