Interview mit BDI-Experte

Drei Fragen an Stefan Gätzner zur Lage in China

23. Januar 2023 | Information

Nach Parteikongress: Auswirkungen auf Wirtschaft und Lieferketten nach Wende in Covid-Politik.

BDI-Experte Stefan Gätzner blickt auf die Situation in China. © BDI
BDI-Experte Stefan Gätzner blickt auf die Situation in China. © BDI

Auf welchem Kurs sehen Sie China nach dem XX. Parteikongress der KPCh? Was werden die wichtigsten Themen und Ziele sein?

In den vergangenen Monaten hat die chinesische Wirtschaft zunächst unter der strengen Null-Covid-Politik mit ihren unberechenbaren Lockdowns und danach unter der massiven Corona-Welle gelitten. Während auf dem Parteitag im Oktober noch ideologische Ziele im Vordergrund standen, signalisiert die chinesische Regierung nun endlich seit Ende letzten Jahres eine Kursänderung wieder hin zu einer pragmatischeren und marktfreundlicheren Wirtschaftspolitik. Offensichtlich spielten hier die Sorgen um einen Wachstumseinbruch eine entscheidende Rolle. Denn die Konjunktur strauchelt schon seit einiger Zeit. Neben einer schwachen Nachfrage der Verbraucher und dem Einbruch auf dem Immobilienmarkt war zuletzt auch noch die Exportlokomotive ins Stottern geraten. Im Dezember 2022 gingen die Ausfuhren um knapp zehn Prozent zurück. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum lag im vergangenen Jahr dann auch nur bei drei Prozent – ein viel zu schwaches Ergebnis für die ehrgeizigen Planer in Peking.

China hat nach den Protesten gegen die restriktive Zero-Covid-Politik einen radikalen Kurswechsel vollzogen. Welche weitere Entwicklung erwarten Sie, und was werden die Auswirkungen auf die Wirtschaft und internationale Lieferketten sein?

Für die kommenden Wochen und Monate – mindestens bis ins Frühjahr hinein – müssen wir noch mit Disruptionen durch die aktuelle Covid-Welle im ganzen Land rechnen. Kurzfristige Auswirkungen auf Lieferketten und internationale Logistik sind denkbar, aber die Unternehmen sind mittlerweile auf Störungen und Produktionsausfälle flexibel eingestellt. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum dürfte zumindest im ersten Quartal noch schwach bleiben. Danach ist ein gewisser Rebound zu erwarten, getrieben durch den Binnenkonsum. Hier haben die Verbraucher Nachholbedarf. Doch das Vertrauen ist nach dem Corona-Horrorjahr 2022 erst einmal erschüttert. Die Sparquote ist deutlich gestiegen, weniger Geld steht für Konsum zu Verfügung. Da die globale Konjunktur schwächelt, werden wohl auch die Exporte im laufenden Jahr wenig Anschub für das Wachstum leisten können. Wir dürften daher 2023 insgesamt lediglich einen moderaten Anstieg des BIP sehen. China kann damit auch nicht mehr die Rolle einer Zugmaschine für die Weltkonjunktur spielen.

Die Bundesregierung arbeitet an nationalen Sicherheits- und China-Strategien. Wie ist die Wahrnehmung dieser Strategien in China, auf welche Reaktionen seitens der chinesischen Regierung sollte sich Deutschland und die deutsche Wirtschaft einstellen?

Die Diskussion in Deutschland wird von der chinesischen Regierung mit sichtbaren Unbehagen verfolgt, was sich deutlich in den offiziellen Äußerungen der vergangenen Wochen widerspiegelt. Falls Chinas Führung nach einer Veröffentlichung der finalen und offiziellen China-Strategie weiterhin ihre Interessen tangiert sehen sollte, müssen wir uns sicherlich fortgesetzt auf einen rauen Ton aus Peking einstellen. Für China ist Deutschland aber ein eminent wichtiger Wirtschaftspartner, dessen Bedeutung angesichts der eigenen Wachstumsschwäche und des Handelskonfliktes mit den USA weiter zunimmt. Wir sollten hier also durchaus selbstbewusst agieren und uns von schrillen Äußerungen nicht schrecken lassen.

Stefan Gätzner ist seit 2019 Büroleiter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie in Peking.

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Dr. Matthias Blum

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Abteilungsleitung Außenwirtschaft, Außenwirtschaftspolitik, europäische/nationale Industriepolitik