Manual von VCI und Öko-Institut

Elektromobilität: Anforderungen an die Ökobilanz

15. März 2019 | Leitfaden

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Die Politik steht vor der Aufgabe, die Rahmenbedingungen für Innovationen in der Elektromobilittät weiterzuentwickeln und bei der Förderung von Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet die richtigen Prioritäten zu setzen. Bei den technologischen Optionen spielen Ökobilanzen bzw. Analysen des Lebenszyklus von Antriebssystemen eine große Rolle. Das Öko-Institut und der VCI haben daher die Anforderungen erarbeitet, unter denen eine Ökobilanz zu Pkw-Antrieben methodisch sauber durchgeführt werden kann. Sie möchten damit zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen.

Hintergrund

Die Bedeutung der Elektromobilität und alternativer Antriebskonzepte in zentralen indust-riellen Wertschöpfungsketten in Deutschland wird in der Öffentlichkeit und Politik immer noch nicht ausreichend gewürdigt. Für die Vorbereitung weiterer Investitionen sind die Rahmenbedingungen für Innovationen in der Elektromobilität von der Politik weiterzuentwickeln und die Förderaktivitäten der Ressorts weiterhin konsequent umzusetzen. Diese Förderaktivitäten müssen aber aus Sicht der Chemie stärker priorisiert werden, um die zur Verfügung stehenden Ressourcen stärker als bisher im Sinne der künftigen Wertschöpfung am Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland zu bündeln.

Für eine derartige Priorisierung der Forschungsthemen müssen die technologischen Optionen fair gegeneinander abgewogen werden können. An Politik und Öffentlichkeit gelangt allerdings in vielen Fällen eine verzerrte Bewertung, wobei insbesondere die für die Chemieindustrie wichtige Lithium-Ionen-Batterie durch zum Teil „unsaubere“ Ansätze zur Lebenszyklus-Analyse (LCA) „schlecht gerechnet“ wird. Damit werden die für die Forschung notwendige Technologieoffenheit eingeschränkt und Chancen für die Forschung und Entwicklung im Bereich der Chemie vernachlässigt. Dies betrifft nicht zuletzt Fragen zur Rohstoffverfügbarkeit und zu Recyclingmöglichkeiten.

Ziel des Manuals

Der VCI möchte sich in seinen zukünftigen Arbeiten weiterhin für die Umsetzung seiner Forderung nach adäquater Prioritätensetzung in der Forschung und Entwicklung zur Elektromobilität einsetzen. Das Öko-Institut hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebenszyklus-betrachtung für komplexe Technologiefelder weiterzuentwickeln und durch sorgsam er-stellte LCA mit realen Daten die Technologieentwicklung zu begleiten. Für die Vorbereitung weiterer Diskussionen haben nunmehr das Öko-Institut und der VCI daher die Anforderungen erarbeitet, unter denen eine LCA zu Pkw-Antrieben methodisch sauber durchgeführt werden kann, um damit zu einer Versachlichung der Diskussion beizutragen.

Diese Anforderungen möchten das Öko-Institut und der VCI mit den relevanten Stakeholdern und Netzwerken diskutieren. Das vorliegende Manual möchte maßgebliche Akteure dazu inspirieren und motivieren, qualitativ hochwertige und aussagekräftige Ökobilanzen zu Pkw-Antrieben zu finanzieren, mit Rat und Daten zu unterstützen und ihre Ergebnisse angemessen zu kommunizieren. Da über die „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“ (NPM) dort maßgebliche Akteure involviert sind, möchten VCI und Öko-Institut die Aufmerksamkeit der NPM auf dieses Manual lenken. Letztlich adressiert das Manual Wertschöpfungsketten zentraler deutscher Industriebranchen in Milliardenhöhe. Das im Folgenden vorgestellte Manual soll als Grundlage für eine objektive Bewertung der ökologischen Dimension dieser Wertschöpfungsketten dienen.

Executive Summary

Dieses Manual soll einen Beitrag zur wichtigen Versachlichung der Debatte um Öko-bilanzen von Pkw-Antriebssystemen leisten. Es bietet eine Zusammenfassung der methodischen Anforderungen sowie eine Übersicht hinsichtlich notwendiger Daten-grundlagen und -transparenz. Ziel ist, eine Grundlage zur vorurteilsfreien und ergeb-nisoffenen vergleichenden Ökobilanzierung von Pkw mit unterschiedlichen Antriebssystemen bereitzustellen. Es richtet sich an Ersteller und Auftraggeber vergleichender Ökobilanzen für Pkw sowie Multiplikatoren wie Fachmedien.

Für die Durchführung der Ökobilanz existiert mit den Normen EN ISO 14040/14044 eine klare Vorgabe, die neben Anforderungen an die methodische Vorgehensweise und an die Datengrundlagen der Ökobilanz Empfehlungen gibt, wie Ergebnisse interpretiert werden dürfen. Das Ziel der Ökobilanz, der Untersuchungsrahmen, die funktionelle Einheit und die Systemgrenzen müssen klar und transparent kommuni-ziert werden. Wesentlich ist die Einhaltung des sogenannten Äquivalenzprinzips, damit ein Vergleich angemessen ist. Das heißt, dass z. B. gleichwertige Fahrzeugtypen bzw. -klassen verglichen werden. Somit dürfen für einen alleinigen Vergleich der Antriebstechnologie z. B. nicht ein Kleinwagen mit Benzinmotor und ein vollelektri-sches Oberklassenfahrzeug miteinander verglichen werden, da hier zwei wesentliche Eigenschaften variiert werden.

Die Auswahl der Daten muss insbesondere dem Ziel der Studie entsprechen und sich nach der mit diesem Ziel festgelegten Systemgrenze sowie dem zeitlichen, tech-nologischen und geografischen (z.B. Strommix der Nutzungsphase von Elektroautos) Bezugsraum richten. Es empfiehlt sich daher eine Unterteilung der Ergebnisse in mindestens folgende Module:

  • Herstellung des Fahrzeugs inklusive aller Vorketten,
  • BereitstellungStromvorkette, Kraftstoffvorkette)
  • Betrieb des Fahrzeugs und
  • Verwertung am Lebensende.

Es ist bei Ökobilanzen aufgrund des globalen Anspruchs und des damit inhärent sehr großen Umfangs im Allgemeinen nicht möglich, alle Aspekte mit sicheren Daten zu hinterlegen, sodass bei der realen Umsetzung u. U. auch auf schwächere Daten zurückgegriffen werden muss. Transparenz bezüglich Datenschwächen ist essenziell, d.h. man muss denjenigen Ökobilanzen skeptisch gegenüberstehen, die keine Datenunsicherheiten darstellen.

Aussagen, die auf Ökobilanzergebnissen basieren, müssen in ihrer Tragweite und Eindeutigkeit grundsätzlich mit einer angemessenen methodischen Qualität und Datengüte der Arbeit korrespondieren. Die einschlägigen Normen geben umfassende Orientierung zur Erstellung qualitativ guter Ökobilanzen. Auf der Datenseite sind Schlüsselkriterien zu erfüllen. Es ist ausreichend darzulegen, welche Annahmen für die vergleichende Ökobilanz getroffen worden sind, wie z. B. angesetzter Pkw-Typ, die Lebenslaufleistung des Pkw inkl. des Antriebssystems oder die geografische und zeitliche Repräsentativität/Bezugsraum der Eingangsdaten. Den Herausforderungen, die sich durch dynamische technologische Entwicklungen ergeben, kann durch Sensitivitätsanalysen begegnet werden. Das vorliegende Manual gibt klare Orientierung für die Erstellung vergleichender Ökobilanzen von Pkw mit unterschiedlichen Antrieben. Es bietet zugleich eine Hilfestellung zur Identifikation und Klarstellung missbräuchlicher Verwendung oder einseitiger Interpretationen von Ökobilanzergeb-nissen durch Dritte.

Hintergrund des Manuals im Detail

Ökobilanzen (LCAs) zu Pkw haben in den letzten Jahren vor allem aufgrund der grö-ßeren Auffächerung des möglichen Antriebsstrangs eine stark gestiegene Aufmerk-samkeit erhalten. Neben Pkw mit klassischen Verbrennungsmotoren für flüssige Kraftstoffe wie Diesel oder Benzin (ICEV) sind zunehmend Pkw mit „alternativen“ An-trieben auf dem Markt: Erdgasfahrzeuge, vollelektrische Pkw (BEV), Plug-in-Hybride (PHEV), Hybride (HEV) oder auch Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEV).

Die „alternativen“ Antriebe rufen Fragen nach ihrer ökologischen Performance hervor und zu Recht werden vergleichende Ökobilanzen für Pkw verlangt, die alle Phasen des Lebenszyklus – also Herstellung des Pkw mit allen vorgelagerten Ketten inkl. der Rohstoffgewinnung, Nutzungsphase des Pkw und seine Verwertung am Lebensende (End-of-Life) – abdecken. Das Interesse daran ist uneingeschränkt zu begrüßen. So wurden und werden diverse LCAs oder Klimabilanzen im deutschen, europäischen sowie internationalen Kontext zum Vergleich von Pkw-Antriebssystemen publiziert und finden oft deutlichen Niederschlag in Medien und Sekundärveröffentlichungen.

Allerdings zeigen diverse Beispiele in jüngster Zeit, dass auf Basis entsprechender Bilanzen nicht eine Versachlichung der Debatte zu beobachten ist, sondern – in z.T. sehr emotionaler Weise – das Gegenteil. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Einigen Ökobilanzen mangelt es an Transparenz hinsichtlich der Datengrundlagen oder der Qualität der Daten und/oder die Interpretationen der Ergebnisse sind nicht ausreichend belegt bzw. die Einschränkungen der Aussagekraft nicht angemessen dargelegt. Durch die Vielzahl der Ökobilanzen kommen unterschiedliche Ergebnisse und Aussagen in die Öffentlichkeit, die die kontroversen Debatten zusätzlich befeuern.

Viel zu selten wird der Tatsache Rechnung getragen, dass es sich gerade bei vielen „alternativen“ Antrieben um vergleichsweise neue Wertschöpfungsketten handelt, d.h. hier ein ausgesprochen dynamischer Industriesektor vorliegt mit entsprechend rasanten Veränderungen in den Produktionsketten. Weiterhin ist die spezifische Umweltbelastung an vielen Stellen stark durch den angesetzten Strommix bestimmt, der sowohl örtlichen Unterschieden als auch dynamischen Veränderungen unterliegt. Häufig sind nicht die Ersteller der Ökobilanzen für Irritationen verantwortlich, sondern Dritte wie Medienvertreter, die nur Teilergebnisse aufgreifen und die Ergebnisse der Ökobilanz falsch oder zumindest missverständlich transportieren.

Inhalt und Zielgruppe des Manuals

Dieses Manual von Fachleuten des Öko-Instituts soll einen Beitrag zur wichtigen Versachlichung der Debatte um Ökobilanzen von Pkw-Antriebssystemen leisten. Es bietet auf wissenschaftlicher Grundlage eine zusammenfassende Darstellung der methodischen Anforderungen sowie eine Checkliste hinsichtlich notwendiger Datengrundlagen und Datentransparenz mit dem Ziel, eine Grundlage zur vorurteilsfreien und ergebnisoffenen vergleichenden Ökobilanzierung von Pkw mit unterschiedlichen Antriebssystemen bereitzustellen. Umgekehrt ist es nicht Ziel des Manuals, Empfehlungen für andere Ökobilanzierungen wie z.B. Flottenbilanzen von Pkw aufzustellen.

Dieses Manual richtet sich an Ersteller und Auftraggeber vergleichender Ökobilanzen für Pkw mit unterschiedlichen Antrieben sowie Multiplikatoren wie Fachmedien, die für eine entsprechende Handreichung zur Bewertung und Einordnung veröffentlichter Ökobilanz-Ergebnisse gute Verwendung finden können.

Das vollständige Manual mit einem Umfang von 20 Seiten finden Sie im PDF-Format im Download-Bereich im Kopf dieser Seite.

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Dr. Martin Reuter

Kontaktperson

Dr. Martin Reuter

Energie- und Materialforschung, Forschungs- und Technologiepolitik