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Gasembargo bringt Versorgungs­engpässe

05. April 2022 | Information

Folgen eines Lieferausfalls von Gas für die Industrie an konkreten Beispielen.

Die Chemie- und Pharmaindustrie setzt Gas sowohl als Rohstoff als auch energetisch zur Gewinnung von Wärme und Strom ein. © Kerkezz/stock.adobe.com
Die Chemie- und Pharmaindustrie setzt Gas sowohl als Rohstoff als auch energetisch zur Gewinnung von Wärme und Strom ein. © Kerkezz/stock.adobe.com

Mit einem kurzfristig einsetzenden und länger anhaltenden Lieferausfall wird es spätestens im Herbst Versorgungsengpässe bei Gas geben, die auch unsere Industrie betreffen. Damit wären dann tiefe Einschnitte in das Produktionsniveau der Branche verbunden. Und zwar nicht nur bei großen energieintensiven Unternehmen, sondern auch im Mittelstand. Über die Wertschöpfungsketten würde sich der Effekt auf die gesamte Industrie in Deutschland fortpflanzen. Fast alle Lebensbereiche und nahezu alle Branchen – Landwirtschaft, Ernährung, Automobil, Kosmetik und Hygiene, Bauwesen, Pharma oder Elektronik - wären dann von Unterbrechungen ihrer Lieferketten betroffen, weil alle diese Anwendungen auf den Einsatz von chemischen Stoffen im Herstellungsprozess ihrer Produkte angewiesen sind.

Gas: Unverzichtbarer Rohstoff in vielen Wertschöpfungsketten

Erdgas (Methan) => Synthesegas => Wasserstoff => Ammoniak

  • Erdgas wird in der rohstofflichen Verwendung für die Produktion von Wasserstoff eingesetzt, der wiederum für die Herstellung der Basischemikalie Ammoniak eine wichtige Rolle spielt.
  • Ammoniak gehört mit einer Kapazität von ca. 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr zu den mengenmäßig größten Grundchemikalien in der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland. Grundchemikalien sind Ausgangsstoffe für die Synthese vieler weiterer chemischer Produkte.
  • Ammoniak wird zum Beispiel zur Herstellung von Düngemitteln, Lösemitteln, Kunststoffen, medizinischen Produkten und einer Vielzahl von weiteren Chemieprodukten verwendet. Ein Teil fließt über die Harnstoffsynthese in die Produktion von AdBlue für die Abgasreinigung von Dieselfahrzeugen.

Erdgas (Methan) => Acetylen

  • Erdgas wird auch für die Herstellung von Acetylen verwendet. Als vielseitig einsetzbarer chemischer Baustein ist Acetylen ein bedeutender Ausgangsstoff für viele Produkte des täglichen Lebens.
  • Beispiele hierfür sind Kunststoffe, Arzneimittel, Lösemittel, Elektrochemikalien sowie hochelastische Textilfasern.
  • Aus Acetylen werden auch Spezialchemikalien für die gummiverarbeitende Industrie hergestellt, die als Hochleistungs-Klebrigmacher in Autoreifen eingesetzt werden.

Erdgas (Methan) => Methanol => Formaldehyd => Polyurethane

  • Methanol wird über Synthesegas aus Erdgas hergestellt.
  • Methanol ist eine Chemikalie, die bei der Herstellung von Formaldehyd, Essigsäure und Methylmethacrylat (MMA) verwendet wird, und die in vielen Anwendungen als Lösungsmittel eingesetzt wird. Es wird auch zur Herstellung von MTBE (Methyl-tert-butylether) verwendet, das als Oktanverstärker oder als Benzinverbindung eingesetzt wird.
  • Formaldehyd wird in großen Mengen in einer Vielzahl von chemischen Herstellungsprozessen verwendet.
  • Polyurethane gehören zu der Klasse von Verbindungen, die als Reaktionspolymere bezeichnet werden. Zwei wesentliche Bestandteile sind Isocyanat (zu dessen Herstellung wiederum Ammoniak benötigt wird) und Polyol.
  • Polyurethane werden verwendet als Schaumstoff zur Gebäudeisolierung, in Möbeln, Matratzen, Autositzen, Beschichtungen für Fußböden und Möbel und Kühlschränke, künstlichen Sportbahnen, Joggingschuhen und in Rollschuhrädern.

Erdgas (Methan) => Methanol => Formaldehyd => Phenolharze

  • Phenolharze: Das Material wurde ursprünglich Bakelit genannt. Es war der erste Kunststoff, der auf den Markt kam und für den die alten schwarzen Telefone typisch waren.
  • Phenolharze werden verwendet in Produkten zur Wärmedämmung, für Holzprodukte und Formpulver, eine breite Palette von Anwendungen auf dem elektrischen, mechanischen und dekorativen Markt, in der Automobilindustrie, im Baugewerbe und in Produkten der Gießereiindustrie.

Erdgas (Methan) => Methanol => Methyl-tert-butylether (MTBE)

  • MTBE ist ein sauerstoffhaltiger Kraftstoffether und Benzinbestandteil, der durch Reaktion von Methanol und Isobutylen hergestellt wird. MTBE liefert eine hohe Oktanzahl und einen hohen Energiegehalt und verbessert die Luftqualität durch die Verringerung von Schadstoffemissionen wie Kohlenstoffmonoxid, flüchtige organische Verbindungen (VOC) und Feinstaub.
  • MTBE wird als Oktanverstärker und Benzinverbindung als auch als Lösungsmittel verwendet.

Erdgas (Methan) => Methanol => Methylmethacrylat (MMA) => Polymethylmethacrylat (PMMA)

  • MMA ist ein chemisches Zwischenprodukt zur Herstellung anderer Methacrylat-Monomere, wie PMMA.
  • MMA wird auch als Zement für bestimmte medizinische Behandlungen, für orthopädische Chirurgie (Hüfte, Knie) und zahnmedizinische Anwendungen verwendet.
  • PMMA ist ein thermoplastisches Polymer, das aus Methylmethacrylat hergestellt wird. Aufgrund seiner vielfältigen Eigenschaften ist PMMA weit verbreitet.
  • PMMA, besser bekannt als Acryl, wird verwendet als transparenter Glasersatz, in der Medizintechnik, für künstlerische und ästhetische Anwendungen, visuelle Kommunikation, Straßenschilder, Badewannen, Umlenkung von Licht.

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 Ulrike Zimmer

Kontaktperson

Ulrike Zimmer

Bereichsleitung Wissenschaft, Technik und Umwelt, Geschäftsführung Fonds der Chemischen Industrie (FCI)