VCI-Diskussionsveranstaltung zur Musterfeststellungsklage
Klageindustrie vermeiden
Welche Chancen bieten Musterfeststellungsklagen? Welche Risiken gehen von ihnen aus? Darüber diskutierten rund 70 Politiker, Unternehmer und Anwälte auf einer VCI-Diskussionsveranstaltung Ende April in Berlin.

Hinter dem sperrigen Begriff Musterfeststellungsklage verbirgt sich ein neues Klageinstrument für Verbraucher. Damit möchte die Bundesregierung Verbraucherverbänden ermöglichen, stellvertretend für geschädigte Konsumenten gegen Unternehmen zu klagen. In solchen Prozessen soll einheitlich festgestellt werden, ob Firmen grundsätzlich für Schäden haften, die durch deren Fehlverhalten bei Verbrauchern entstanden sind.
In seinem Eröffnungsvortrag erläuterte Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesjustizministerium, die Beweggründe der Bundesregierung für ihren Gesetzentwurf zur Musterfeststellungsklage: zum einen zahlreiche Fälle, in denen eine Vielzahl von Verbrauchern durch rechtswidriges Verhalten von Unternehmen geschädigt worden seien.
Beispielhaft nannte er den Fall manipulierter Abgassoftware bei Dieselfahrzeugen. Diese Fälle seien aber nicht Anlass, sondern eher „Katalysator“ der schon lange währenden Diskussion, wie Verbraucher ihre Rechte besser durchsetzen können. Zum anderen entstehe in Deutschland eine Klageindustrie, bei der „findige Klägerorganisationen“ aus abgetretenen Schadenersatzansprüchen der Verbraucher gegen Unternehmen vorgingen, kritisierte Billen. Dabei lande das Geld aber oft nicht bei den Betroffenen. Daher galt es, „ein effizientes Verfahren zu organisieren, das nicht missbraucht werden kann“. Und dies könne man mit der Musterfeststellungsklage erreichen. In der laufenden Ressortabstimmung zum Gesetzentwurf müssten jetzt noch die Regelungen zur Klagebefugnis festgelegt werden: „Es geht um die Sicherstellung der Seriosität der klagebefugten Verbände“, unterstrich der Staatssekretär. Mit Blick auf die europäischen Pläne zu Sammelklagen bezeichnete er die Musterfeststellungsklage als „Blaupause“ für Europa. Billen forderte hierzu eine „offene gemeinsame Diskussion“.
VCI: Pragmatisches Modell notwendig
Einig war er sich dabei mit dem rechts- und verbraucherpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner: Die Musterfeststellungsklage werde möglichst zum 1. November 2018 in Kraft treten. Auch werde die Regierung die Kriterien, wer klagen darf, enger fassen. Damit werden weniger Verbände klagebefugt sein. Nach Meinung Fechners bietet die Musterfeststellungsklage im Gegensatz zu anderen Formen von Sammelklagen eine effektive Lösung. „Recht bekommt, wer Recht hat, und dies recht günstig“, sagte Fechner und spielte damit auf die geringe Gebühr an, die Verbraucher für eine Registrierung im Klageregister aufbringen müssten.
Zweifel bleiben
Wasser in den Wein der Musterfeststellungsklage goss Astrid Stadler, Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Konstanz. Ihrer Ansicht nach bietet die neue Klage keine Lösung für Bagatellschäden im sehr niedrigen Bereich. Sammelklagen müssten außerdem so gestaltet werden, dass Verbände direkt auf Zahlung von Schadenersatz klagen dürfen. Nur so könne ausreichender ökonomischer Druck auf die Unternehmen aufgebaut werden.
Zweifel am Konzept der Bundesregierung äußerte auch Burkhard Schneider, Rechtsanwalt bei Clifford Chance: „Der Ansatz wird nicht funktionieren.“ Es handele sich um einen minimalinvasiven gesetzgeberischen Eingriff, der die Nachteile verschiedener Verfahren miteinander kombiniere. „Die Prozessfinanzierer werden so weitermachen wie bisher“, prophezeite Schneider. Die Diskussionsveranstaltung hat gezeigt: Die Positionen des VCI vor allem zur Frage, wer künftig klageberechtigt sein soll, sind für die Politik nachvollziehbar.
Dieser Artikel ist in modifizierter Form im chemie report 05/2018 erschienen.