Binnenschifffahrt

8-Punkte-Plan gegen Niedrigwasser im Rhein

04. Juli 2019 | Bericht

Langfassung zu diesem Dokument

Der Bundesverkehrsminister hat mit Vertretern der Stahl-, Chemie- und Mineralölindustrie, den Produzenten mineralischer Massenrohstoffe und des Binnenschifffahrtsgewerbes einen „8-Punkte-Plan“ erarbeitet. Ziel ist es, zuverlässig kalkulierbare Transportbedingungen am Rhein auch bei extremem Niedrigwasser sicherzustellen. Der Rhein ist für die chemische Industrie die wichtigste Binnenwasserstraße in Deutschland.

Konzertierte Aktion gegen die weitreichenden Folgen von extremem Niedrigwasser im Rhein: Bundesverkehrsministerium und mehrere Verbände haben einen 8-Punkte-Plan erarbeitet, der zuverlässig kalkulierbare Transportbedingungen am Rhein sicherstellen soll. Für die chemische Industrie ist der Rhein die wichtigste Binnenwasserstraße. - Foto: - © EKH-Pictures/stock.adobe.com
Konzertierte Aktion gegen die weitreichenden Folgen von extremem Niedrigwasser im Rhein: Bundesverkehrsministerium und mehrere Verbände haben einen 8-Punkte-Plan erarbeitet, der zuverlässig kalkulierbare Transportbedingungen am Rhein sicherstellen soll. Für die chemische Industrie ist der Rhein die wichtigste Binnenwasserstraße. - Foto: - © EKH-Pictures/stock.adobe.com

Hintergrund

Die Erfahrung der langen und extremen Niedrigwasserperiode des Jahres 2018 hat insbesondere im Rheineinzugsgebiet die herausragende Bedeutung des Wasserstraßentransports für die Industriestandorte deutlich gemacht und zugleich einer breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein gerufen. Am Rhein und seinen Nebenflüssen übernimmt der Binnenschiffstransport unter normalen Bedingungen bei vielen Industrieunternehmen mit großen Ladungsvolumina den Hauptanteil des Gütertransports, noch vor dem Schienen- und Straßengütertransport.

Auch wenn die Unternehmen darauf eingestellt sind, witterungsbedingte Einschränkungen des Wasserstraßentransports in begrenztem Umfang auszugleichen, hat die sowohl hinsichtlich ihrer Dauer als auch der Wasserstände extreme Niedrigwasserperiode des vergangenen Jahres gezeigt, dass Ereignisse dieser Art in den betroffenen Industrieprozessen weder durch kurzfristige Verkehrsverlagerung auf andere Verkehrsträger noch durch eine erweiterte Vorratsplanung beherrscht werden können.

Gravierende Folgen des Niedrigwassers 2018 quer durch die gesamte Wertschöpfungskette

Im Jahr 2018 hat dies in den Unternehmen teilweise zu hohen betriebswirtschaftlichen Verlusten geführt. Zahlreiche Industriebetriebe entlang des Rheins und seiner Nebenflüsse waren zur Drosslung der Produktion gezwungen. Einzelne Unternehmen haben Gewinnwarnungen ausgegeben oder gegenüber ihren Kunden „höhere Gewalt“ angemeldet.

Neben der Industrie waren aber auch die Verbraucher und Kunden vom Niedrigwasser betroffen, da Güter des täglichen Bedarfs sich entsprechend verteuerten oder teilweise nicht in gewohntem Umfang bereitgestellt werden konnten, wie es beispielsweise bei der eingeschränkten Tankstellenversorgung besonders deutlich wurde. In vielen Bereichen war eine Verlagerung von Gütern vom Binnenschiff auf die Straße notwendig, um die Versorgung sicherstellen zu können. Dies hatte zusätzliche CO2 Emissionen zur Folge. In Summe sind Verbraucher wie Unternehmen durch höhere Kosten belastet worden, die direkt oder indirekt auf das lang anhaltende Rhein-Niedrigwasser zurückzuführen sind.

Laut Aussagen des BDI waren zwei Drittel der von der Versorgung durch die Binnenschifffahrt abhängigen Unternehmen stark bis sehr stark und länger als sechs Wochen betroffen. Ein Drittel der Unternehmen mussten teilweise Produktionsausfälle in Kauf nehmen, einzelne meldeten starke bis sehr starke Ausfälle. Allein BASF bezifferte die durch die lange Niedrigwasserperiode in 2018 verursachten Verluste auf rd. 200 Mio. €.

Auch die Stahl- und Mineralölindustrie, deren Standorte auf den Transport über den Rhein angewiesen sind, waren in vergleichbarer Größenordnung betroffen. Das Kieler Institut für Wirt-schaftsforschung (IfW) geht davon aus, dass das Niedrigwasser 2018 die Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal 2018 um 0,2 Prozentpunkte, im vierten Quartal um 0,1 Prozentpunkte gedämpft hat.

Soweit durch den Klimawandel bedingt eine Wiederholung und Häufung dieser Art von Ereignissen erwartet werden muss, hat dies ohne geeignete Gegenmaßnahmen unweigerlich Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit der Bevölkerung, die Standortentwicklung der Unternehmen und die Wirtschaftsentwicklung Deutschlands.

Es liegt im gemeinsamen Interesse von Politik und Industrie, nach Lösungen für eine langfristige Standortsicherung zu suchen und damit die notwendigen Voraussetzungen für eine positive Wirtschafts- und Wohlstandsentwicklung in Deutschland zu schaffen.

Ziel der Erklärung

Vor diesem Hintergrund haben die Unterzeichner der Erklärung vereinbart, gemeinsam Maßnahmen zur Sicherstellung zuverlässig kalkulierbarer Transportbedingungen zu ergreifen. Jede Partei übernimmt dabei die Federführung für die Maßnahmen in ihrem Verantwortungsbereich. Sie unterstützen sich gegenseitig durch begleitende Maßnahmen und vertreten das gemeinsame Ziel in der Öffentlichkeit zusammen. Das durch die Erfahrung des Niedrigwassers 2018 entstandene Problembewusstsein muss wachgehalten werden.

Der Rhein ist die wichtigste und verkehrsreichste Binnenschifffahrtsstraße Europas und als solche auch ein wichtiger Baustein der Klimaschutzpolitik der Europäischen Union im Verkehrsbereich. Im Sinne eines grenzüberschreitenden Ansatzes werden Abstimmungen mit den Rheinanliegerstaaten im Rahmen der Zusammenarbeit innerhalb der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt und innerhalb der Europäischen Union erfolgen.

Der 8-Punkte-Plan

Der Plan benennt nachfolgend in vier Handlungsfeldern kurz-, mittel- und langfristig wirkende Maßnahmen, mit dem den klimawandelbedingten Herausforderungen für die Industriestandorte am Rhein und seinen Nebenflüssen begegnet werden soll:

Handlungsfeld „Informationsbereitstellung“ (kurzfristig wirksam werdende Maßnahmen)
  • 1. Verbesserung der Wasserstandsvorhersage
    Die Weiterentwicklung operationeller Vorhersagen (deterministisch bis zu 10 Tagen) und Trendaussagen (probabilistisch 6 Wochen – 6 Monate) zur Wasserstandsentwicklung an den Pegeln des Rheins wird die zuverlässige Planung der Transportlogistik gerade in Niedrigwasserperioden unterstützen.
  • 2. Einrichtung des DAS-Basisdienstes Klima & Wasser
    Die Einrichtung des DAS-Basisdienstes Klima & Wasser ist im Kontext der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) vorgesehen. Der ressortübergreifend geforderte DAS-Basisdienst Klima & Wasser, der auf bereits bestehenden operationellen Diensten des Deutschen Wetterdienstes (DWD), der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG), des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) aufbaut, wird zukünftig kontinuierlich aktuelle und einheitliche Grundlagen für die Anpassung der Verkehrsinfrastruktur an den Klimawandel sowohl für langfristige Planungsvorgänge als auch für kurzfristige Managemententscheidungen bereitstellen.
  • 3. Bereitstellung aktueller Tiefeninformationen für die Schiffsführung
    Um der Schiffsführung eine bessere Ausnutzung der vorhandenen Fahrrinnentiefen zu ermöglichen, wird die Bereitstellung von aktuellen Tiefeninformationen in der elektronischen Binnenschifffahrtskarte (Inland ECDIS) vorangetrieben.
Handlungsfeld „Transport und Logistik“ (kurz- bis mittelfristig wirksam werdende Maßnahmen)
  • 4. Anpassung der Transportkonzepte/Optimierung der Transport- und Ladungsgefäße
    Ziel ist ein optimierter Umgang mit extremen Niedrigwasserereignissen unter den bestehenden Randbedingungen. Neben der Ausschöpfung von Verlagerungsmöglichkeiten sowie Schaffung und Ausschöpfung von Lagerkapazitäten können die Entwicklung und angepasste Verfügbarkeit niedrigwassergeeigneter Schiffstypen, moderne Leichtersysteme sowie die Digitalisierung der Binnenschifffahrt Ansätze für eine Optimierung bieten. Durch den Bund kann mit begleitenden Maßnahmen (fiskalisch und ordnungspolitisch) eine Unterstützung dieser Ansätze erfolgen.
Handlungsfeld „Infrastruktur“ (mittel- bis langfristig wirksam werdende Maßnahmen)
  • 5. Beschleunigte Umsetzung der „Abladeoptimierung am Mittel- und Niederrhein“
    Durch die schnelle Umsetzung der im Bundesverkehrswegeplan 2030 verankerten Wasserstraßeninfrastrukturmaßnahmen am Rhein, allen voran die Maßnahmen zur Abladeoptimie-rung am Mittel- und Niederrhein, werden die Transportbedingungen des Verkehrsträgers für die Industriestandorte im Rheineinzugsgebiet verbessert. Auch wenn die Abladeoptimierungen ihren Transportnutzen in erster Linie im Bereich der normalen Niedrig- bis Mittelwasserstände entfaltet, können sie dennoch auch bei extremen Niedrigwasserereignissen einen Beitrag zur Verkürzung der Transportausfälle liefern. Der Bund wird alle sinnvollen Möglichkeiten zur Beschleunigung der Maßnahmen ergreifen. Dazu zählt unter anderem neben einer frühzeitigen Information in der Region auch die beabsichtigte vorgezogene Durchführung von Kompensationsmaßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Umwelt.
  • 6. Beschleunigung durch Maßnahmengesetze
    Ein Beitrag zur beschleunigten Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen kann durch den Erlass eines „Maßnahmengesetzes“ erreicht werden, welches für ausgewählte Vorhaben anstelle des üblichen Planfeststellungsbeschlusses erlassen werden kann. Die hierfür notwendigen Voraussetzungen sind für die Maßnahme zur Abladeoptimierung am Mittelrhein gegeben. Ein erforderliches Vorschaltgesetz soll noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden.
Handlungsfeld „Langfristige Lösungsansätze“
  • 7. Untersuchung wasserbau- und wasserwirtschaftlicher Optionen zur Sicherstellung zuverlässig kalkulierbarer Transportbedingungen am Rhein
    Aufgrund des Klimawandels kann eine Häufung extremer und langandauernder Niedrigwasserereignisse nicht ausgeschlossen werden. Daher muss die Machbarkeit aller wasserbau- und wasserwirtschaftlicher Optionen zur Sicherstellung zuverlässig kalkulierbarer Transportbedingungen am Rhein, wie z.B. Stau- und Speicherlösungen, ergebnisoffen untersucht werden.
  • 8. Gesellschaftlicher Dialog
    Die Schaffung von Akzeptanz für notwendige Infrastrukturmaßnahmen wie auch die Untersuchung zukünftiger Anpassungsmaßnahmen an Klimaänderungen am Rhein bedürfen eines intensiven gesellschaftlichen Dialogs. Dieser soll Öffentlichkeit wie auch Politik, Wirtschaft und Umweltverbände für die zur Aufrechterhaltung der vielfältigen Funktionen des Rheins erforderlichen Anpassungen sensibilisieren. Hierfür werden die Unterzeichner dieser Erklärung ein Bündnis für den Lebensraum Rhein initiieren.

INFO: Die Bedeutung des Rheins für die chemische Industrie

Die chemische Industrie verantwortet 10 Prozent der gesamten Beförderungsmenge im deutschen Binnenschiffsverkehr. Das entspricht rund 223 Millionen Tonnen. Für die Branche ist der Rhein die wichtigste Binnenwasserstraße. Die Betriebe im Westen und Südwesten Deutschlands sind durch sie mit Überseehäfen wie Rotterdam verbunden.


Die vollständige Erklärung finden Sie im Download-Bereich im Kopf dieser Seite (PDF-Datei; Umfang: 5 Seiten).


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Dipl.-Ing. Jörg Roth

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Dipl.-Ing. Jörg Roth

Gefahrgut, Ladungssicherung, Transportsicherheit, TUIS, Verkehr und Logistik