11. September 2025 | Bericht
Von der Leyen bleibt zu vage: Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit braucht mehr Verve und Tempo.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hielt am 10. September 2025 vor dem Plenum des Europäischen Parlaments ihre Rede zur Lage der Union 2025 („State of the Union 2025“ - SOTEU), die erste ihrer zweiten Amtszeit. Die Rede stand unter dem Motto „Kampf um die Zukunft Europas” und legte ihre Vision einer wirtschaftlich wettbewerbsfähigen und sozial gerechten EU dar. Sie adressierte zentrale Themen wie Verteidigung, wirtschaftliche Souveränität, Klimastabilität und demokratische Resilienz.
Die wichtigsten von der Kommissionspräsidentin angesprochenen Initiativen für die Chemie- und Pharmabranche sind:
- „Industrial Accelerator Act“: Gesetzesvorschlag zur Beschleunigung industrieller Transformation, insbesondere für strategische Sektoren, unter anderem durch schnellere Genehmigungsverfahren. Bisher sprach die Kommission vom „Industrial Decarbonisation Accelerator Act.“ Der Inhalt bleibt wohl bestehen.
- „Made in Europe“-Präferenz: Verbindliche Kriterien in der öffentlichen Beschaffung zur Stärkung europäischer Produktion.
- „Battery Booster Package“: 1,8 Milliarden Euro Eigenkapital zur Förderung der europäischen Batterieproduktion.
- Handelsinstrument für grünen Stahl: Nach Auslaufen der Schutzmaßnahmen soll ein neues Marktinstrument folgen.
- Binnenmarkt-Plan 2028: Strategischer Rahmen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Integration neuer Technologien.
- Energieinfrastruktur-Offensive (neue Initiative für „Energieautobahnen“): Beseitigung von Engpässen; bessere Vernetzung der Energiesysteme
- Nachhaltigkeitskriterien in der Vergabe: Öffentliche Beschaffung wird stärker an Klimazielen ausgerichtet.
- Bekräftigung des 90-Prozent-Klimaziels: Politische Absicherung des EU-Ziels für 2040.
Unsere Bewertung „in a nutshell“
Zwar enthält die Rede industriepolitische Impulse – etwa für Batterien und grünen Stahl –, doch sie setzt keinen neuen wirtschaftlichen Aufbruch. Der dringend benötigte Schwung für die angeschlagene europäische Industrie bleibt aus. Die „Made in Europe“-Präferenz und Infrastrukturmaßnahmen können positive Signale für Standortstärkung und Versorgungssicherheit geben, vieles bleibt derzeit aber noch vage. Hinsichtlich des weiterhin dringend notwendigen Bürokratieabbaus bringt von der Leyen weitere „Omnibusse“ (beispielsweise in den Bereichen militärische Mobilität und Digitales) ins Spiel. Für die Chemie- und Pharmaindustrie fehlen allerdings neue Impulse – bestehende Strategien wurden nicht weiterentwickelt. Besonders im Hinblick auf die weiterhin enormen Energiekosten bleiben die Ankündigungen unzureichend: Es fehlt an kurzfristiger Entlastung – etwa durch eine beschleunigte Anpassung der ETS-Beihilfeleitlinien. Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie leidet unter den hohen Preisen, und auch das angekündigte „Grid Package“ wird das Problem nicht grundlegend lösen.
Die weitere Perspektive
Es ist gut, dass die EU-Kommission mit dem „Clean Industrial Deal“ den Fokus ihrer Politik jetzt wieder stärker auf Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum legen will. Dieses Bestreben wurde auch in der Rede der Kommissionspräsidentin erneut deutlich. Und das ist auch bitter nötig, wenn wir auch in Zukunft eine starke Industrie haben und eine starke Rolle in der Welt spielen möchten.
Die EU hat ein riesiges Innovationspotenzial, aber wir fesseln uns viel zu oft selbst. Deshalb müssen wir wegkommen von kleinteiliger Regulierung hin zu einem echten Bürokratieabbau und Vereinfachung. Auch wettbewerbsfähige Energiepreise sind essenziell. Ankündigungen, Strategien und Aktionspläne liegen genug auf dem Tisch. Es kommt jetzt auf eine zügige, konkrete und konsistente Umsetzung an.
Das ist nicht nur im Interesse der Wirtschaft. Denn nur wenn wir als EU wirtschaftlich stark sind, werden wir die Transformation schaffen und international als Partner auf Augenhöhe ernstgenommen.
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