EU-US-Deal gewinnt Konturen

US-Zölle: Deal-Bau auf wackligem Grund

17. September 2025 | Bericht

EU und USA konkretisieren Zoll-Deal. Zugleich steht die US-Zollpolitik in den USA vor Gericht.

Die ersten Schritte zur Ausgestaltung des zollpolitischen „Joint Statements“ zwischen EU und USA vom 21. August 2025 machen konkret greifbar, welches Ungleichgewicht künftig bei den Zollhöhen dies- und jenseits des Atlantiks bestehen wird, wenn die Pläne so umgesetzt werden. © New Africa/stock.adobe.com
Die ersten Schritte zur Ausgestaltung des zollpolitischen „Joint Statements“ zwischen EU und USA vom 21. August 2025 machen konkret greifbar, welches Ungleichgewicht künftig bei den Zollhöhen dies- und jenseits des Atlantiks bestehen wird, wenn die Pläne so umgesetzt werden. © New Africa/stock.adobe.com

Rückblick: Am 21. August 2025 wurde das seit dem „Deal“ vom 27. Juli 2025 erwartete „Joint Statement on a United States-European Union framework on an agreement on reciprocal, fair and balanced trade" zum EU-US-Deal veröffentlicht (zum Text auf der Website der EU-Kommission geht es hier) . Aus dieser gemeinsamen Erklärung entstehen Verpflichtungen für beide Seiten.

Die Europäische Kommission veröffentlichte am 28. August 2025 die ersten beiden Legislativvorschläge zur Umsetzung der Erklärung. Sie sollen gewährleisten, dass die USA, wie im „Joint Statement“ als Kondition vereinbart, ihre Zölle auf Automobile und -teile rückwirkend zum 1. August 2025 von 27,5 auf 15 Prozent senkt und dass Zölle auf Pharmazeutika 15 Prozent nicht überschreiten. Die Vorschläge zielen darauf ab, Zölle auf US-Industriegüter abzuschaffen und einer Reihe von US-Meeresfrüchten und nicht sensiblen Agrarprodukten einen bevorzugten Marktzugang zu gewähren. Mit den Vorschlägen wurden auch die Anhänge zu den EU-Zollsenkungen in Chemiekapiteln veröffentlicht. Es sind nur wenige Ausnahmen vorgesehen, vor allem im Zoll-Kapitel 35. Das EU-Parlament und der Rat müssen nun die beiden Vorschläge im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens genehmigen, bevor die Zollsenkungen der EU in Kraft treten können. Im Rat ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich (d. h. mindestens 15 der 27 Mitgliedstaaten müssen zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung darstellen). Das Parlament muss mit einfacher Mehrheit (mindestens 361 von 720 Stimmen) zustimmen.

US-Präsident Trump hat am 5. September 2025 eine neue „Executive Order“ erlassen, die die Änderung und Erweiterung der bestehenden E.O. 14257 („reziprokes IEEPA-Zollregime“) vorbereitet. Diese Liste reflektiert die im EU-US-Joint Statement zugesagten US-Zollsenkungen für „strategische Produkte“, rückwirkend zum 1. September 2025. Zum einen gibt es eine Liste, die den Annex II vom 2. April 2025 etwas ausweitet, auch um Chemieprodukte. Zum anderen gibt es eine neue Liste (Annex III), die für zahleiche Zoll-Codes den Erhalt der Zollsätze vom Jahresbeginn für noch zu definierende „aligned partners“ festlegt. Dabei gibt es bei den Zollreduktionen Beschränkungen für bestimmte Verwendungszwecke (z. B. Einsatz in Pharmazeutika); die genaue Umsetzung ist noch unklar.

Zwischen Skylla und Charybdis

Zwar sind beide Vorschläge ein logischer Umsetzungsschritt des „Deals“ vom 27. Juli 2025 und des „Joint Statements“ vom 21. August 2025. Sie machen aber zugleich konkret greifbar, welches Ungleichgewicht künftig im Umsetzungsfall bei den Zollhöhen dies- und jenseits des Atlantiks bestehen wird. Klar ist, dass die Wettbewerbssituation der exportorientierten EU-Industrie, der EU-Chemieindustrie und der EU-Pharmaindustrie durch die im Vergleich zu Anfang 2025 höheren US-Zölle Nachteile erleiden wird. In Teilen würde durch die einseitige Zolleliminierung der EU auch im EU-Binnenmarkt die Situation im Vergleich zu US-Wettbewerbern schlechter – für den Fall erheblicher Importzuwächse ist ein „Safeguard-Mechanismus“ angedacht. Andere Unternehmen können möglicherweise günstiger Inputs beziehen.

Sollten Rat und Parlament den Verordnungsvorschlägen der Kommission zustimmen? Man kann den Deal drehen und wenden, wie man will: Er stellt die EU-Industrie schlechter als zu Jahresbeginn. Es erscheint aber mehr als unklar, ob Nachverhandlungen oder gar ein neuer Handelskonflikt zu besseren Ergebnissen führen würden. Eher im Gegenteil – an den transatlantischen Kräfteverhältnissen hat sich seit Juli nichts geändert.

Dennoch stirbt die Hoffnung zuletzt. Die Chemie in der EU und den USA setzt sich seit August ausdrücklich für ein Chemie-Sektorabkommen unter anderem mit niedrigen Zollsätzen auf beiden Seiten des Atlantiks ein. Dies erscheint noch immer möglich und geboten. Es wäre wünschenswert, wenn der Deal letztendlich in ein „transatlantisches, branchenübergreifendes Abkommen zur Senkung von Industriezöllen“ münden könnte – auch um eine WTO-kompatible Implementierung der EU-Vorschläge zu gewährleisten. Ein derartiges Abkommen sollte das Ziel der EU sein – wie realistisch es kurzfristig ist, bleibt abzuwarten.

Bis zur höchsten Instanz

Währenddessen hat ein US-Berufungsgericht am 30. August 2025 den Teil der neuen Zölle der US-Regierung für rechtswidrig erklärt, der auf Basis der US-Notstandsgesetzgebung (IEEPA) erhoben wird. Dabei geht es nicht um die Zölle in der Sache, sondern um die Frage, ob US-Präsident Trump die Zölle auf Basis dieser Rechtsgrundlage verhängen darf – das sind die Zölle gegenüber dem Rest der Welt auf Basis der Verordnungen zu „Reciprocal Trade and Tariffs“. Die Zölle nach Sec. 232 und 301 sind nicht betroffen. Die US-Regierung hat die Entscheidung dem Supreme Court zur finalen Prüfung vorgelegt. Die Zölle bleiben bis zur finalen Entscheidung in Kraft, der genaue Zeitplan ist noch unklar.

Das „232-Menetekel“

Und noch eine Facette, die die Unsicherheit hochhält: Am 19. August 2025 haben die USA ihre 50-Prozent-Zölle auf Stahl und Aluminium auf mehr als 407 Zolllinien mit „Derivaten“, also Metallerzeugnissen, ausgeweitet. Die Berechnungsmethoden zum Metallgehalt in den definierten Derivaten sind dabei äußerst komplex. Insbesondere der deutsche Maschinenbau ist von dieser Ausweitung stark betroffen und reagierte vehement. Derzeit sondiert der VCI auch die Betroffenheit innerhalb der Chemie.

Schließlich steht weiterhin der Bericht der 232-Untersuchung zu Pharmazeutika aus, der vor Jahresende erscheinen muss. Gespannt warten wir darauf, ob der 15-Prozent-Zolldeckel der EU auch nach Veröffentlichung der Untersuchung halten wird. Zudem blicken wir mit Sorgen auf Reformansätze zur Senkung der US-Gesundheitskosten.

Mehr zum Thema

Übersichtsseite von Germany Trade and Invest (GTAI) zur US-Handelspolitik mit den aktuellen reziproken Zölle weltweit, den getroffenen Vereinbarungen für einzelne Länder, Links zu den Originalquellen und einem Fragen-und-Antworten-Katalog.

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Dr. Matthias Blum

Dr. Matthias Blum

Abteilungsleitung Außenwirtschaft, Außenwirtschaftspolitik, europäische/nationale Industriepolitik