Maßnahmen zur Stärkung des Verkehrsträgers Schiene

Bedeutung des Schienengüter­verkehrs

22. Oktober 2021 | Position

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Der Schienengüterverkehr spielt für die chemische Industrie als umweltfreundliches und sicheres Transportmittel eine wichtige Rolle.

Aus Sicht des VCI muss der Schienengüterverkehr gestärkt und durch geeignete Maßnahmen attraktiv gemacht werden - sowohl gegenüber anderen Verkehrsträgern als auch im europäischen Umfeld. © (c) Marco2811 - Fotolia.com
Aus Sicht des VCI muss der Schienengüterverkehr gestärkt und durch geeignete Maßnahmen attraktiv gemacht werden - sowohl gegenüber anderen Verkehrsträgern als auch im europäischen Umfeld. © (c) Marco2811 - Fotolia.com

Er ist besonders geeignet für größere Ladungseinheiten wie Massengüter, die über längere Distanzen transportiert werden. Daneben hat er verkehrsträgerspezifische Vorteile, speziell für die sensiblen Produkte der Branche. Damit der Schienengüterverkehr optimal genutzt werden kann, muss er leistungsfähig und zuverlässig sein. Hier sieht der VCI Verbesserungsbedarf - auch, um dem steigenden Verkehrsaufkommen der nächsten Jahre gerecht zu werden.

Mobilität im Güterverkehr ist eine wesentliche Voraussetzung für eine wettbewerbsfähige Industrie und wirtschaftliches Wachstum. Dazu ist ein starkes logistisches System erforderlich. In diesem spielt die Eisenbahn als umweltfreundliches und sicheres Transportmittel für die chemische Industrie eine wichtige Rolle: Im Jahr 2020 wurden allein in Deutschland 24,8 Millionen Tonnen chemische Erzeugnisse mit der Bahn transportiert. Damit verantwortet unsere Branche 7,8 Prozent der gesamten Beförderungsmenge im Schienengüterverkehr (= 320,1 Mio. Tonnen).

Dieser hohe Anteil besteht, weil der Bahntransport für chemische Erzeugnisse häufig prädestiniert ist: Der Schienengüterverkehr ist besonders geeignet für größere Ladungseinheiten, insbesondere für Massengüter, die über längere Distanzen transportiert werden müssen. Daneben hat er, speziell für die sensiblen Produkte der chemischen Industrie, verkehrsträgerspezifische Vorteile. Die Struktur der Bahntransporte in der chemischen Industrie ist vorwiegend gekennzeichnet durch

  • Versand und Empfang in privaten Bahnkesselwagen,
  • Transport unserer Produkte in geeigneten Ladeeinheiten des Kombinierten Verkehrs,
  • Einzelwagen- und Wagengruppentransporte im Verkehr zwischen Gleisanschlüssen ohne Umladungen im Versandgeschäft sowie zur Produktionsversorgung und
  • Ganzzüge, primär für die Versorgung der Chemiestandorte mit aufkommensstarken Rohstoffen und Zwischenwerkverkehren der Verbundchemie.

Damit wir die Vorteile des Schienengüterverkehrs voll nutzen können, haben wir ein großes Interesse an seiner Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit. Diese muss für die Zukunft nicht nur sichergestellt, sondern auch verbessert werden, um

  • der zu erwartenden deutlichen Steigerung des Verkehrsaufkommens in den nächsten Jahren gerecht zur werden und die Voraussetzungen für eine politisch gewollte Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene zu schaffen,
  • bei der chemischen Industrie Investitionssicherheit zu gewährleisten (Anlagenbau mit speziellen Be- und Entladeeinrichtungen für Kesselwagen und Tankcontainer, Schienenanlagen auf den großen Chemiestandorten sowie
  • durch die Nutzung des Schienengüterverkehrs einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können.

Maßnahmen zur Stärkung des Schienengüterverkehrs

Zur Stärkung des Schienengüterverkehrs sollte(n) beispielsweise

  • die Kapazitäten im Schienennetz erhöht und zusätzliche Schienenverkehrswege geschaffen werden zur Vermeidung von Konflikten mit dem Personenverkehr, für Ausweich- und Entlastungsstrecken und um weiteres Wachstum aufnehmen zu können;
  • die Voraussetzungen für durchgängig 740 Meter lange Züge sowie weitere technische TEN-T Parameter zumindest auf den Transeuropäischen Netzen (TEN) schnellstmöglich geschaffen werden;
  • die Zusammenarbeit von Infrastruktur und Eisenbahnverkehrsunternehmen, vor allen Dingen auch im europäischen Kontext, deutlich verbessert werden;
  • das Informationsmanagement (z. B. hinsichtlich Baustellen) und die Zusammenarbeit der Bahnen (z. B. bei Störfällen) verbessert werden; das gilt vor allen Dingen für die internationale Zusammenarbeit;
  • Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden, so dass Baumaßnahmen schneller umgesetzt werden können;
  • Automatisierung und Digitalisierung im Schienengüterverkehr noch stärker vorangetrieben werden (z.B. durch die schnelle Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK), Sensorik für Güterwagen und Ladung, Einführung von Pilotstrecken für autonomes Fahren);
  • die Prozesse digitalisiert werden, etwa durch Übermittlung proaktiver Verspätungs-meldungen mit zuverlässigen neuen voraussichtlichen Ankunftszeiten an (Chemie-)Verlader;
  • gezielt Fachkräfte (insbesondere Lokführer) gewonnen werden, um der demografischen Entwicklung entgegenzuwirken;
  • europaweit Anforderungen z. B. an Lokführer (Sprach- und Streckenkenntnis) harmonisiert und vereinfacht werden (z. B. durch Einführung einer gemeinsamen europäischen Betriebssprache und/oder technologiegestützten Lösung), um Kapazitäten besser nutzen zu können.

Maßnahmen zur Stärkung des Einzelwagenverkehrs

Für die chemische Industrie hat der Einzelwagenverkehr als Rückgrat der Chemietransporte auf der Schiene in Deutschland und Europa eine besondere Bedeutung. Allerdings ist der Einzelwagenverkehr seit Jahren europaweit rückläufig und von einer unbefriedigenden Wettbewerbssituation ebenso geprägt wie von großen Defiziten bei Qualität und Zuverlässigkeit (Pünktlichkeit) der Transporte.

Um das System Einzelwagenverkehr zukunftsfähig zu gestalten, schlägt der VCI ein neues Marktmodell vor. Zentrale Rolle darin spielen die Rangier- und Knotenbahnhöfe. Sie sollen künftig als neutrale Schnittstelle für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) zugänglich sein. Bislang sind vor allem die großen Rangierbahnhöfe in Deutschland und Europa in der Hand der Staatsbahnen oder deren Nachfolgeunternehmen. Dies führt zu einer jeweils marktbeherrschenden Situation, mit Nachteilen für andere Anbieter. So stellen bisher nur die Staatsbahnen oder deren Nachfolgeunternehmen auf den zentralen Rangierbahnhöfen Einzelwagen zu Zügen zusammen und bringen sie auf die Hauptrouten. Dies zwingt andere EVU in der Praxis zum Aufbau paralleler Einzelwagenverkehre, weil sie auf kleinere Bahnhöfe ausweichen müssen.

Das vom VCI vorgeschlagene neue Marktmodell für den Einzelwagenverkehr hat als Kern neutrale Rangierbahnhöfe und Knotenbahnhöfe, in denen ein neutraler Betreiber den Rangierbetrieb diskriminierungsfrei für alle Eisenbahnunternehmen durchführt, die die Bahnhöfe anfahren.

Rangierbahnhöfe als neutrale Schnittstellen ermöglichen

  • mehr Wettbewerb im Fernverkehr – wie heute schon im Ganzzugverkehr und im Kombinierten Verkehr;
  • mehr Kooperation, insb. durch Bündelung von Bedienfahrten im regionalen Verkehr.

Mehr Wettbewerb und Alternativen, aber auch Kooperation sind unserer Sicht sind unbedingte Voraussetzungen für eine nachhaltige Stärkung des Einzelwagenverkehr. Besonders dann, wenn – wie politisch gewünscht – mehr Verkehre auf die Schiene gebracht werden sollen. Eine Subventionierung des Betriebs von Einzelwagenverkehren ohne strukturelle Änderungen könnte dagegen lediglich den Status Quo aufrechterhalten.

Weitere wichtige Maßnahmen zur Stärkung des Einzelwagenverkehrs sind aus Sicht des VCI:

  • Einführung neuer Technologien und Konzepte für eine nachhaltige Steigerung der Leistungsfähigkeit, Qualität und Zuverlässigkeit und
  • Sicherstellung wettbewerbsfähiger Rahmenbedingungen, insbesondere bei den Kosten für die Nutzung der Infrastruktur (Trassen- und Anlagenpreise).

Es muss gelingen, den Schienengüterverkehr weiter zu modernisieren und dauerhaft leistungsfähig aufzustellen. Nur dann wird es möglich sein, die Herausforderungen, die der Güterverkehr für die Zukunft bereithält, zu bewältigen.

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Für Fragen und Anregungen nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

Dipl.-Kfm. Tilman Benzing

Kontaktperson

Dipl.-Kfm. Tilman Benzing

Bahntransport, Binnenhäfen, Chlor, Intralogistik, Seeverkehr, Verkehrsinfrastruktur