Gemeinsame Position von FCIO und VCI zu

Verzögerungen bei der Zulassung

18. Januar 2021 | Position

Langfassung zu diesem Dokument

Die Biozidprodukte-Verordnung EU 528/2012 (BPR) beschreibt das Zulassungsverfahren für Biozidprodukte. Ziel ist die Zulassung als Voraussetzung für das Bereitstellen und die Verwendung von Biozidprodukten. In der Zulassung von Biozidprodukten kommt es jedoch vermehrt zu Verzögerungen. Insbesondere auch für kleine und mittelständische Unternehmen hat dies gravierende Folgen und führt zu großer Unsicherheit.

Bild: © vpanteon - stock.adobe.com
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  • „Market Freeze“:
    Für die Vermarktung gleicher Produkte und für nachgeschaltete gegenseitige Anerkennungen ist eine bereits erteilte Zulassung Voraussetzung. Ohne Zulassung können keine neuen Handelsnamen vermarktet oder bestehende Produkte in anderen Mitgliedstaaten neu auf den Markt gebracht werden
  • Marktverzerrung:
    Zugelassene und nicht-zugelassene Biozidprodukte der gleichen Produktarten sind z. T. über mehr als zehn Jahre parallel legal auf dem Markt verfügbar. Die Marktverzerrung belastet besonders Unternehmen, die „Nischenprodukte“ für spezielle Anforderungen herstellen. Die Konsequenzen für solche Unternehmen können u. U. bis zur Geschäftsaufgabe führen.
  • Innovationshemmnis:
    Verbesserte Rezepturen wie auch innovative Produkte können nicht auf dem Markt bereitgestellt werden.
  • Rechtsunsicherheit:
    Die Rechtsgrundlage für Produkte, für die drei Jahre nach Genehmigung des Wirkstoffs keine Zulassung erteilt wurde, ist unklar.

Die Industrie begrüßt, dass EU-Kommission, ECHA und Behörden sich ebenfalls bereits mit den Verzögerungen bei den Zulassungen beschäftigen. In ihrer Position erläutern FCIO und VCI die Folgen der Verzögerung in den Zulassungsverfahren, beschäftigen sich mit den Gründen und machen Vorschläge, wie dieser Problematik entgegengewirkt werden kann.

Verkehrsfähigkeit von Biozidprodukten

Während Biozidprodukte mit neuen Wirkstoffen zugelassen sein müssen, um in der EU in Verkehr gebracht werden zu dürfen, können Biozidprodukte mit alten Wirkstoffen von den Übergangsregelungen profitieren. Um die Verkehrsfähigkeit zu erhalten, muss bis zum Zeitpunkt der Genehmigung des letzten zu genehmigenden Wirkstoffs ein Zulassungsantrag eingereicht worden sein. Während dieses Übergangszeitraums unterliegt das in Verkehr gebrachte Biozidprodukt den nationalen Regeln in dem jeweiligen Mitgliedsstaat. Je nach Mitgliedsstaat bestehen diese in Zulassungs- oder Registrierungsverfahren, teilweise gibt es auch keinerlei nationale Anforderungen.

Biozidprodukte, für die unter den Übergangsmaßnahmen kein Zulassungsantrag eingereicht wurde, z. B. weil die Rezeptur erst später entwickelt wurde, können erst nach Erteilen der Zulassung auf dem Markt bereitgestellt werden. Das ist auch der Fall, wenn für ein Biozidprodukt unter den Übergangsregelungen zwar ein nationaler Zulassungsantrag gestellt wurde, der Antragsteller später jedoch zusätzlich die Zulassung in einem weiteren Mitgliedstaat beantragt. In diesem Fall ist die Vermarktung erst nach Erteilen der nationalen Zulassung über die gegenseitige Anerkennung möglich.

Konflikt mit den Zielen der BPR und Gründe für die Verzögerung

Die Verzögerungen in den Zulassungsverfahren stehen den ursprünglichen Zielen der BPR entgegen. Sie wirken sich negativ auf das Funktionieren des EU-Binnenmarktes aus und haben unerwünschte Folgen für den Schutz von Mensch, Tier und Umwelt. Um die BPR-Ziele zu erreichen, müssen die Ursachen für die Verzögerungen behoben werden. Aus Sicht der Industrie sind verschiedene Punkte für die Verzögerungen verantwortlich:

  • kontinuierliche (Weiter-)Entwicklung und Anwendung von Guidance-Dokumenten
    Bei vielen Fragestellungen - z. B. zur Zulassung von Biozidproduktfamilien, Nachweis der Wirksamkeit, Technische Äquivalenz, Genehmigung von in situ-Wirkstoffen und entsprechende Zulassungen - mussten zunächst Guidance-Dokumente erarbeitet werden. Viele dieser Leitlinien werden mehrfach und kontinuierlich weiter überarbeitet oder sind noch nicht fertiggestellt.
  • Datennachforderungen
    • Anwendung des neuesten Stands der Leitlinien
    • Berücksichtigung des neusten Stand der Gesetzgebung (z.B. Einstufung)
    • große Detailtiefe – Betrachtung jeder Verwendung jeder Variante
    • Klärung offener Fragen aus der Wirkstoffgenehmigung im Zulassungsverfahren
  • Bewertung von Beistoffen im Rahmen der Biozidproduktzulassung
  • Akzeptanz von Bewertungen

Darüber hinaus führen folgende Gründe zu einer weiteren Verschärfung der Situation und steigender Belastung der Bewertungsbehörden:

  • Brexit und Bewertung möglicher endokriner Eigenschaften führen zu mehr Aufwand für die Behörden.
  • Teilweise stehen Wiedergenehmigungen für den Wirkstoff an, die Zulassungen für die Biozidprodukte sind aber bisher nicht erteilt.
  • Die Genehmigung eines Wirkstoffs zieht eine größere Anzahl an Zulassungsanträgen für Biozidprodukte nach sich. Durch die Begrenzung des Familienkonzepts ist zu erwarten, dass die Anzahl an Anträgen auf Zulassung einzelner Biozidprodukte und Produktfamilien weiter steigen wird.

Lösungsvorschläge

Die BPR enthält aus unserer Sicht mit der Wirkstoffgenehmigung und der Zulassung von Biozidprodukten wichtige Instrumente, um die in BPR Artikel 1 beschriebenen Schutzziele sowie die Harmonisierung des Binnenmarktes zu erreichen. Aus Sicht von FCIO und VCI ist die konkrete Umsetzung der Verordnung hierfür jedoch von zentraler Bedeutung. Um die Bewertungsprozesse zu beschleunigen und für Antragsteller mehr Rechtssicherheit zu schaffen, werden verschiedene Lösungsansätze zur Diskussion vorgeschlagen:

  • Zügige Erstbewertung aller Wirkstoffe und Erstzulassung aller Biozidprodukte
  • Sicherstellung des Anforderungsumfangs bei Antragstellung und „Fine-Tuning“ in nachgelagerten harmonisierten Prozessen
  • Optimierung der Prozesse, an denen die Behörden aus mehreren Mitgliedstaaten beteiligt sind
  • Rechtssicherheit für Bewertungszeitraum schaffen

In dem Positionspapier (Langfassung) werden sowohl die Gründe für die Verzögerungen im Einzelnen beleuchtet als auch die Lösungsvorschläge detailliert erläutert. PDF | 320 kB | Stand: 19. Januar 2021

Kontakt

  • Verband der Chemischen Industrie e.V.
    Dr. Evelyn Roßkamp, Wissenschaft, Technik und Umwelt/Produktsicherheit
    Telefon: +49 (69) 2556-1962
    E-Mail: rosskamp@vci.de
  • Fachverband der chemischen Industrie Österreichs / Wirtschaftskammer Österreich
    Dr. Dominique Schröder
    Telefon: +43 05 90 900 3373
    E-Mail: schroeder@fcio.at