Biozidprodukte-Verordnung

Evaluierung der EU-Biozid-Gesetzgebung

11. Dezember 2025 | Bericht

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Die aktuelle Umsetzung gefährdet Gesundheits- und Umweltstandards. Fünf Forderungen für eine Reform.

Biozidprodukte sichern Hygiene und Gesundheit – ihre Regulierung muss praxistauglich bleiben. © Soonthorn/stock.adobe.com
Biozidprodukte sichern Hygiene und Gesundheit – ihre Regulierung muss praxistauglich bleiben. © Soonthorn/stock.adobe.com

Das Inverkehrbringen und die Verwendung von Biozidprodukten werden in der EU durch die Biozidprodukte-Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (BPR) geregelt. Sie hat das Ziel, das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern. Gleichzeitig soll sie ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt sicherstellen. Unter Beachtung des Vorsorgeprinzips liegt besondere Aufmerksamkeit darauf, gefährdete Gruppen zu schützen. Die chemische Industrie unterstützt diese Ziele ausdrücklich.

Realität steht im Widerspruch zu Zielen der BPR

In einer ersten Bewertung hatte der VCI im Jahr 2021 die BPR und das in ihr beschriebene zweistufige Bewertungsverfahren grundsätzlich als ein geeignetes Instrument eingeschätzt, um sicherzustellen, dass gleichsam sichere wie wirksame Produkte in Verkehr gebracht und verwendet werden dürfen sowie auch um europaweit einheitliche Standards zu erreichen.1 Auf Schwachpunkte in der Umsetzung wurde hingewiesen und die zügige und vollständige Umsetzung der BPR einschließlich des Abschlusses des Review-Programms gefordert.
Leider wurden die benannten Schwachpunkte in den vergangenen Jahren nicht ausgeräumt, sondern sogar weiter verschärft. Das Prüfprogramm für alte Wirkstoffe (Review-Programm) wurde um weitere fünf Jahre verlängert, an die Bewertungsdossiers werden zusätzliche Informationsanforderungen gestellt, um neue Aspekte zu erfassen, Gebühren wurden erhöht und bestehende Möglichkeiten wie Zulassung von Produktfamilien, Änderungen von Anträgen oder Zulassung gleicher Produkte werden immer weiter eingeschränkt.

Wichtig: Effizienz und Praxistauglichkeit verankern

Die Ziele der BPR geraten hierdurch immer weiter in Widerspruch zur Realität. Für wichtige Anwendungen sind keine geeigneten Biozidprodukte mehr verfügbar bzw. eine fehlende Verfügbarkeit zeichnet sich ab, so dass aktuelle Gesundheits- und Umweltstandards auf dem Spiel stehen. Währenddessen nimmt durch fehlende Effizienz die Marktverzerrung weiter zu.
Die Überarbeitung der Biozidprodukte-Verordnung (BPR) ist dringend erforderlich, um effiziente Verfahren, praxistaugliche Bewertungen und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen zu gewährleisten und so Kohärenz zwischen Regulierung und Praxis herzustellen.

Fünf zentrale Forderungen

Die fünf zentralen VCI-Forderungen werden in der Stellungnahme (ab Seite 3) weiter konkretisiert.

  1. Vereinfachung und Straffung der Verfahren
    Die derzeitige Umsetzung der Zulassungsverfahren führt zu erheblichen Verzögerungen und Marktverzerrungen. Für mehr Effizienz werden klare Fristen und verlässliche Übergangsregelungen für Leitlinien benötigt. Verfahren müssen harmonisiert und die gegenseitige Anerkennung gestärkt werden. Dies sollte durch eine geeignete Anwendung des Prinzips „One substance - one assessment“ (OSOA) unterstützt werden.
  2. Stärkung des risikobasierten Ansatzes
    Zulassungen dürfen nicht allein von Gefahrenklassifizierungen abhängen. Die Bewertung von Risiken muss realistisch sein und auf praxisnahen Szenarien und abgestimmten Worst-Case-Annahmen basieren. Eine konsequente Stärkung der Risikobewertung ist dringend erforderlich, um Verlässlichkeit zu schaffen und unnötige Verluste von Wirkstoffen und Produkten zu verhindern.
  3. Integration von Umwelt- und sozioökonomischen Vorteilen
    Neben stofflichen Risiken müssen auch die positiven Beiträge von Biozidprodukten berücksichtigt werden – etwa zur öffentlichen Gesundheit und zur Nachhaltigkeit. Ein holistischer Bewertungsansatz sowie die Berücksichtigung der Nutzenaspekte von Produkten im Zulassungsverfahren sollten diese Aspekte systematisch einbeziehen.
  4. Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlichen Unabhängigkeit der EU
    Hohe regulatorische Hürden gefährden die Verfügbarkeit von Wirkstoffen und die Versorgungssicherheit in Europa. Produktionsverlagerungen ins Ausland schwächen die Resilienz. Neben Planungssicherheit sind der Schutz vertraulicher Geschäftsinformationen wichtige Faktoren für Investitionen in der EU. Gesetzlich festgelegte Fristen müssen daher aufeinander abgestimmt und Genehmigungszeiträume verlängert werden.
  5. Förderung von Innovation
    Innovationen und insbesondere KMU leiden unter der Komplexität und Dauer der Verfahren und unter mangelndem Datenschutz. Die bestehenden Konzepte wie „Produktfamilien“ oder „Same Biocidal Products“ müssen erhalten bleiben und praktikabel umgesetzt werden können. Fast-Track-Verfahren, tonnageabhängige Anforderungen und gezielte Unterstützung von Produkten mit öffentlichem Interesse sind notwendig, um Innovation zu ermöglichen.

Nur mit einer Reform entlang dieser Leitlinien kann die BPR ihre Ziele erfüllen und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit, Gesundheitsschutz und Nachhaltigkeit gewährleisten.

Die vollständige Stellungnahme mit allen Hintergründen und Forderungen finden Sie im Downloadbereich oben auf dieser Seite.

Kontakt

Für Fragen und Anregungen nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

Dr. Evelyn Roßkamp

Dr. Evelyn Roßkamp

Biozide, Human-Biomonitoring, Innenraumluft, VCI-Expertenticker "REACH, CLP und Biozide"