03. September 2025 | Bericht
Gemeinsam mit dem BPI richtete der VCI Hessen gestern – am 2. September 2025 – zum neunzehnten Mal den EU-Health Lunch aus.
Das Format bringt Vertretende der Industrie mit Entscheidungstragenden aus Brüssel zusammen. Diese geben im Rahmen der Veranstaltung einen Überblick über die wichtigsten gegenwärtigen Dossiers und Entwicklungen in der EU-Gesundheits- und Industriepolitik.
In ihrem Begrüßungsstatement betonte die hessische Ministerin für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege Diana Stolz die Relevanz eines starken Arzneimittelsektors und guter Standortpolitik. Auch das Land Hessen setze sich hierfür ein. Dabei verwies sie unter anderem auf die Stellungnahme des Bundesrats zur EU-Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser, in der sich die Länder im Jahr 2023 eine Ausweitung der erweiterten Herstellerverantwortung auf andere Sektoren über die Pharma- und Kosmetikindustrie hinaus aussprachen.
Dr. Florian Schmidt, stellvertretender Leiter des Referats für Arzneimittelpolitik in der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DG SANTE) der Europäischen Kommission ging in seinem sich anschließenden Impulsvortrag auf einen „Schwerpunktwechsel“ der neuen Europäischen Kommission ein. Die Ziele Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit würden nun politisch mehr Raum einnehmen – und sich auch in Gesetzgebungsvorhaben widerspiegeln. Die Bedeutung von Standortpolitik zeige sich etwa beim Critical Medicines Act. In Bezug auf die Revision der EU-Arzneimittelgesetzgebung skizzierte Schmidt den weiteren Verlauf der kürzlich begonnenen Trilogverhandlungen. Thematisch werde man sich zunächst mit den Artikeln zur Pharmakovigilanz befassen. Zwar sei die dänische EU-Ratspräsidentschaft an einem zügigen Abschluss der Verhandlungen interessiert, jedoch sei es noch schwer abzuschätzen, ob die Co-Gesetzgeber noch in diesem Jahr eine vollständige Einigung erzielen werden können. Darüber hinaus folgerte Schmidt, dass der angekündigte EU Biotech Act vor allem so gestaltet werden solle, dass der zukunftsträchtige Sektor durch den Act von Mehrwerten auf europäischer Ebene profitiere und so gefördert werde. Er schloss damit, dass zudem die Auseinandersetzung mit der Rolle von KI bei der Rechtssetzung ein weiteres wichtiges Feld darstelle. Eine relevante Frage sei hierbei etwa, welche Offenheit Rechtsakte für den Einsatz von KI zeigen sollten.
Im Folgenden gab Wolfgang Philipp, Hauptberater für Wissenschaft, Europäische Kommission, Behörde für die Krisenvorsorge- und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA), einen umfassenden Überblick über schon begonnene und in der Zukunft angedachte Projekte der HERA. Er stellte dabei etwa die Strategie für medizinische Gegenmaßnahmen vor. Ziel des im Juli 2025 bekannt gemachten Vorhabens ist die Beschleunigung der Entwicklung, Herstellung, Einführung und des Zugangs zu lebensrettenden medizinischen Gegenmaßnahmen (siehe etwa BPI am Nachmittag Nr. 129 vom 9. Juli 2025, nur persönlichen Zugangsdaten abrufbar). Er erörterte außerdem, dass sich auch geopolitische Veränderungen – hier am Beispiel der Beendigung von Investitionen in die mRNA-Technologien durch die Vereinigten Staaten – spürbar werden würden.
Diesen Eindruck bestätigte auch Sabine Kossebau, Leiterin des Referats Gesundheit der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union. Geopolitische Erwägungen würden sich auch in den (Trilog-) Verhandlungen zum EU-Pharmapaket bemerkbar machen. Sie fuhr fort, dass sich Deutschland bei der Regelung des Unterlagenschutzes weiterhin für die Beibehaltung des Status quo einsetzen. Schließlich erläuterte Kossebau, dass der Critical Medicines Act als “industriepolitischer Arm des Pharmapakets“ zu verstehen sei. Der CMA sei sehr begrüßenswert. In Hinblick auf den vor wenigen Tagen veröffentlichten Berichtsentwurf des parlamentarischen Berichterstatters Sokol zum CMA zeige sich Deutschland jedoch skeptisch, was etwa die Vorschläge zur Lagerhaltung angehe. Zudem sei ein Spannungsfeld zwischen den Mitgliedstaaten und der EU, was die Bereitstellung der Mittel – etwa für die Investitionen in strategische Projekte im Rahmen des CMA – angehe, absehbar. Möglichweise könnten diese aber auch über Fonds im Rahmen des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens abgedeckt werden. Sie erklärte zudem, dass die Bundesregierung die nächsten Schritte der Kommission hinsichtlich einer neuen Studie über die Belastungen der EU-Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser eng begleiten werde.
Von einem „Paradigmenwechsel“ sprach auch Kristin Schreiber, Direktorin in der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU (DG GROW) der Europäischen Kommission. Standortpolitik und Versorgungssicherheit – unter dem Zeichen der Geopolitik und auch im Sinne der Verringerung von Abhängigkeiten von Dritten, würden zunehmend wichtiger. So zeige etwa die Zollpolitik der USA die Volatilität und Unbeständigkeit in den internationalen (Handels-) Beziehungen. Schreiber ging aber auch auf die für Ende dieses Jahres erwartete Revision der EU-Chemikalienverordnung REACH ein. Sie unterstrich, dass mit der Reform die Vereinfachung und die Modernisierung der Verfahren, etwa bei Genehmigungsprozessen, im Vordergrund stehen würden. Sie berichtete zudem, dass die Kommission bereits parallel zum Prüfverfahren der Europäischen Chemikalienagentur ECHA an einem „differenzierten Ansatz“ zur Klärung der möglichen Beschränkung von PFAS arbeite. Man wolle zeitnah nach Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse der ECHA, welche Ende 2026 erwartet werden, einen Legislativvorschlag vorlegen. Die Biotechnologie bezeichnete Schreiber zudem als „Zukunftsbereich“. Innerhalb der Kommission wolle man sich für einen breiten Ansatz des erwarteten Biotech Acts einsetzen, der neben der Gesundheitsbranche auch Anwendungen in anderen Bereichen umfassen solle.
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