Lehrernachwuchs in MINT-Fächern genießt hohe Priorität

17. Mai 2021 | Bericht

Jörg Steiper, Landesvorsitzender des MNU Hessen berichtet über die Anfang Mai stattgefundene Junglehrertagung, das Potential der Nachwuchskräfte, die Chancen des Online-Unterrichts und den Zukunftsplänen des Verbands zur Förderung des MINT-Unterrichts.

Jörg Steiper
Jörg Steiper

Interview mit Jörg Steiper, Landesvorsitzender des MNU Hessen, Verband zur Förderung des MINT-Unterrichts


Herr Steiper, am 8. Mai 2021 fand die Jule-Tagung statt. Eine MINT-Fortbildung für junge Lehrkräfte. Welche Motivation verfolgt der Verband, sich gerade dieser Zielgruppe mit einer Veranstaltung zu widmen?


Jörg Steiper: Der Begriff ist nicht ganz trennscharf und trifft im Prinzip auf Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst und Berufseinsteiger in den ersten Jahren ihrer Lehrtätigkeit zu. Aber natürlich sind auch Lehramtsstudentinnen und Studenten und alle anderen MINT-Lehrkräfte willkommen. Junge Lehrkräfte stellen aus mehreren Gründen eine wichtige Zielgruppe dar. Einerseits benötigen die Junglehrer und Junglehrerinnen Unterstützung beim Berufseinstieg. Diese sollte ganz konkret und auf den Punkt sein. Denn oftmals steht der Nachwuchs plötzlich vor der Aufgabe, Unterricht im Rahmen einer vollen Stelle abzudecken. Die jungen Lehrkräfte sind zwar gut durch Universität und Referendariat vorbereitet, eigene Erfahrungen und fertige Stundenkonzepte in der vollen Breite aller Jahrgangsstufen und Fächer fehlen jedoch naturgemäß. Das kann sich aber auch als Vorteil erweisen. Junglehrerinnen und Junglehrer sind meist sehr offen für Neues und neue Konzepte, nehmen also gerne die Erfahrung der Kolleginnen und Kollegen an. Und sie bringen auch häufig neue und eigene Ideen und Konzepte aus der Uni oder den Studienseminaren mit, die dann in der Schule eingesetzt werden. Sie sind somit selbst bereits Multiplikatoren.


Sachkunde – Mathe – Chemie – Physik – Bio – Informatik – geht das denn überhaupt online? Gerade die Naturwissenschaften begeistern doch erst mit ihren Experimenten.


Jörg Steiper: Naturwissenschaften "online" geht sehr gut, natürlich mit gewissen Einschränkungen. "Online" stellt letztendlich eine weitere Methode dar, die gewisse Vor- aber auch Nachteile bietet. Auch bisher wurden schon viele Online-Elemente und Instrumente der Digitalisierung (Recherche, Videos, Simulationen, Online-Experimente etc.) von den Kolleginnen und Kollegen im Unterricht eingesetzt. Wegen der Ausstattung der Schulen gestaltete sich das aber vor Corona häufig schwierig. Online lassen sich diese Elemente naturgemäß besser und einfacher nutzen. Dafür fällt das reale Experiment mit seinen haptischen und sensorischen Erlebnissen weg bzw. wird schwieriger oder muss auf mögliche Heimexperimente heruntergebrochen werden. Das gleiche gilt für kollaboratives Lernen und soziale Aspekte. Das stellt große Nachteile zum Distanzunterricht dar! "Online" als Monokultur ist deswegen genauso ungeeignet wie eine Monokultur aller anderen Methoden und Konzepte. Eingebettet in ein größeres Konzept konstruktivistischen und selbstgesteuerten Lernens bieten Online-Elemente große Vorteile und erhöhen die Methodenvielfalt. Deswegen sind Fortbildungen in der aktuellen Lage umso wichtiger, um Konzepte, Methoden, Techniken, Plattformen zu evaluieren und zu disseminieren. Hierbei ist es wichtig für jetzt und später die Spreu vom Weizen im Sinne von "Best Practice" zu trennen.


Eine Tagung braucht viel Vorbereitung und kostet eine Menge Zeit. Sind Sie als ehrenamtlicher Landesvorsitzender mit dem Zuspruch zufrieden gewesen?


Jörg Steiper: Mehr als das! Wir hatten im Vorfeld 234 Anmeldungen. Das ist die höchste Anmeldezahl aller hessischen Veranstaltungen seit Beginn der Aufzeichnungen in unserem Onlineportal (2009) und 50% mehr Zulauf als in den letzten Jahren! Noch nach Anmeldeschluss bis kurz vor der Tagung wollten sich noch Lehrkräfte anmelden. Auch die endgültige Teilnahmequote über alle Veranstaltungen von 95% der Gemeldeten war sehr gut. Und auch die Mischung stimmte. Teilgenommen haben unter anderem 85 Referendare. Insgesamt 202 Nicht-Mitglieder konnten wir für unsere Fortbildung gewinnen, einige wenige aus anderen Bundesländern und auch aus dem Ausland (Italien, Spanien, USA, Bahamas). Besonderer Dank gilt hierfür neben den Referentinnen und Referenten allen Beteiligten im Organisationsteam um Claudia Schlicker.


Neben der Jule-Tagung gibt es sicherlich noch andere Aktivitäten des Verbandes. Welche Ziele verfolgt MNU Hessen insbesondere in Zeiten des virtuellen Unterrichtens?


Jörg Steiper: MNU Hessen hat sich von Beginn an bemüht, "Best Practice"-Beispiele zu identifizieren und über die Homepage zu verbreiten. Dazu gehörte schon im Frühjahr 2020 die Verbreitung einer Linksammlung zu Online-Ressourcen. Wir haben ebenso ausgewählte Beispiele für Online-Unterricht und ausgewählte Projekte vorgestellt. MNU Hessen hat sich auch an Online-Veranstaltungen unserer Mitglieder beteiligt (SFN-Schülerkongress, Tag der Astronomie, BAR-Camp etc.) und diese unterstützt. Darüber hinaus wurden bestehende Veranstaltungen erweitert/angepasst (MINT-Forum Mathematik/Chemie/Physik) und neue Veranstaltungen angeboten (MNU-Stammtisch). Natürlich haben wir unsere Großveranstaltungen ebenfalls nicht einfach ausfallen lassen, sondern erfolgreich auf "online" umgestellt. Die hessische Sommertagung war bundesweit eine der ersten MNU-Onlinetagungen und zog mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, als die Präsenz-Sommertagungen in den Jahren zuvor. Einen ähnlichen Trend sieht MNU bei allen Online-Veranstaltungen, welche im Übrigen jetzt im Gegensatz zu früher für Lehrkräfte aus dem ganzen Bundesgebiet geöffnet sind. Auch die aktuelle Jule-Tagung bestätigt diesen Eindruck. Insgesamt war es uns als Landesverband wichtig, unseren Mitgliedern, aber auch allen anderen Lehrkräften, Unterstützung und Hilfe in dieser außergewöhnlichen Situation anzubieten. Gerade in einer Krise, also jetzt, sind Stabilität, Austausch, Hilfe und Unterstützung nötig und wichtig. Dazu braucht es natürlich auch Partner wie unsere Referentinnen und Referenten, aber auch den VCI Hessen, die bereit sind, in einer solchen Krise mitzuziehen und ebenfalls unterstützend tätig zu werden. Insbesondere für die langjährige und an konkrete Projekte und Veranstaltungen geknüpfte Unterstützung des VCI Hessen sind wir sehr dankbar!


Welche nächsten Projekte stehen an?


Jörg Steiper: Aktuell sind wir schon in der Planung für unsere Landestagung im Herbst. Wegen der immer noch unsicheren Situation planen wir aktuell wieder eine Onlinevariante. Termin wird Samstag der 25. September sein. Ansonsten laufen die oben genannten Angebote weiter. Wir sind als Landesverband aktuell an einem ERASMUS+-Projekt zur Robotik EU-RATE (European Robotic to everyone) mit Partnern aus dem europäischen Ausland beteiligt (F, P, I, D). Eine weitere Bewerbung für eine BMBF-Fördermaßnahme zu MINT-Clustern läuft zur Zeit noch. Wir sind auch stetig in Kontakt mit den hessischen Universitäten, um Kooperationen im gegenseitigen Interesse anzustoßen. Wir sind aber auch mit dem Massachussetts Institute of Technology (MIT), Cambridge, USA, im Gespräch, um dort entwickelte innovative Lehr- und Lernkonzepte unseren Mitgliedern anbieten zu können. Mitarbeiter des MIT konnten wir bereits jetzt schon für Vorträge auf der letzten Junglehrertagung gewinnen.


Jörg Steiper ist Landesvorsitzender des MNU Hessen, Stellv. Leiter des Schülerforschungszentrums Nordhessen, Wettbewerbsleiter des Landes Hessen für die Internationale Physik-Olympiade und die Internationale JuniorScience Olympiade.


Das Interview führte Heike Blaum.


Kassel/Frankfurt – 12. Mai 2021


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