Chemisches Recycling am Beispiel der Pyrolyse

Eine Schnecke, die alles frisst

13. Dezember 2021 | Bericht

Eine Studie des KIT zeigt, dass Plastikabfälle mit einer neuen Technologie effektiv recycelt werden können.

Der Schneckenreaktor. © KIT
Der Schneckenreaktor. © KIT

Wenn der Plastikmüll in der richtigen Tonne landet, dann wird er schon recycelt. So denken vermutlich viele Verbraucher. Tatsächlich werden aktuell aber weniger als 50 Prozent der Kunststoffabfälle, die beim Endverbraucher anfallen, recycelt. Der Rest wird energetisch verwertet. Das sorgt immerhin für Strom und Wärme – neue Produkte lassen sich daraus jedoch nicht gewinnen.

Um das zu ändern, kommt nun eine besondere „Schnecke“ ins Spiel. Genau genommen handelt es sich um einen Schneckenreaktor, der beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beheimatet ist. Er soll zeigen, dass eine Kreislaufführung von bisher schwer zu recycelnden Kunststoffabfällen mit chemischen Verfahren durchaus möglich ist. Bei dem erprobten Verfahren handelt es sich um die „Pyrolyse“, die neben weiteren Verfahren wie der Solvolyse und der Gasifizierung dem Sammelbegriff „Chemisches Recycling“ zugeordnet wird. Bei der Pyrolyse werden die langen Kunststoffketten in kleinere wieder nutzbare chemische Einheiten zerlegt.

Bei der Pyrolyse werden lange Kunststoffketten in kleinere wieder nutzbare chemische Einheiten zerlegt.
Bei der Pyrolyse werden lange Kunststoffketten in kleinere wieder nutzbare chemische Einheiten zerlegt. © KIT

Verschiedenste Plastikabfälle werden recycelt

Die nun veröffentlichten Studienergebnisse des KIT sind vielversprechend. Mit der Pyrolyse ist das Recycling verschiedenster Plastikabfälle gelungen. Vom Feinschredder aus Elektronik und der Elektrogeräte-Aufbereitung über Reststoffe aus dem Baubereich bis hin zu Abfällen im Automobilsektor haben alle getesteten Abfallfraktionen eines gemeinsam: Sie können mit bisherigen Recyclingverfahren, bei denen über mechanische Prozesse sortenreiner und sauberer Abfälle neues Granulat gewonnen wird, nicht recycelt werden. Es handelt sich hierbei nämlich um gemischte Kunststoffabfälle. Das klassische mechanische Recycling benötigt möglichst sortenreine Abfälle. Bestes Beispiel sind PET-Flaschen, die sogar ihren eigenen Sammelkreislauf haben.

Auch wenn man tiefer in die Details einsteigt, lassen die Studienergebnisse hoffen. Denn 50 bis 80 Prozent des Kohlenstoffs, der in den jeweiligen gemischten Kunststoffabfällen enthalten ist, konnte zurückgewonnen werden. Kohlenstoff ist in der Chemie ein Hauptbaustein in der Produktion. Wenn es in einem nächsten Schritt gelingt, die Endprodukte des Pyrolyseprozesses in Form von Ölen und Gasen zur Weiterverwendung adäquat aufzuarbeiten – wofür die Chancen gutstehen –, ist für die Kreislaufführung des Kohlenstoffs viel gewonnen. Auch die Energiebilanz des chemischen Recyclingprozesses lässt sich sehen: Laut einer weiteren Untersuchung des KIT lag der Aufwand bei nur rund fünf Prozent des Energiegehalts des recycelten Abfalls.

Wie geht es weiter?

Für die Kunststoff- und Chemieindustrie sind das gute Nachrichten. Beide Branchen wollen durch die Kreislaufführung ihrer Stoffe einen entscheidenden Beitrag zum Ziel der Klimaneutralität leisten und Alternativen zu fossilen Rohstoffquellen erschließen. Deshalb planen sie auch große Investitionen im Bereich des chemischen Recyclings. Ein erster Schritt für den Bereich Pyrolyse war nun die Unterstützung des Gemeinschaftsprojektes durch die zwei Industrieverbände und elf ihrer Mitglieder.

So gut die ersten Ergebnisse sind, so groß sind auch die Herausforderungen für die weitere Zukunft der Pyrolyse und des chemischen Recyclings im Allgemeinen. Weitere Unterstützung in der Forschung und Entwicklung bedarf es insbesondere hinsichtlich der Technologiereife und der Skalierung der Verfahren im Industriemaßstab, wofür Demonstrationsanlagen errichtet werden müssen. Eine rechtliche Hürde besteht in Deutschland außerdem bei der Anrechnung chemischer Recyclingverfahren auf alle relevanten gesetzliche Recyclingquoten. Hier muss der Gesetzgeber nachbessern und einen Anreiz für weitere Investitionen in diese vielversprechende Technologie setzen. Die neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag die noch ausstehende Anerkennung von chemischen Recyclingverfahren als Recyclingoption auch für Verpackung in Aussicht gestellt. Diese Ankündigung muss nun auch in geeigneter Weise umgesetzt werden. Nur indem sich mechanische und chemische Verfahren ergänzen, gelingt eine vollständige Kreislaufwirtschaft.

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Dr. Martin Reuter

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Dr. Martin Reuter

Energie- und Materialforschung, Forschungs- und Technologiepolitik