22. Juni 2019 | Bericht
Chemie 4.0 setzt sich aus den Themenbereichen Digitalisierung und zirkuläre Wirtschaft zusammen. In der Diskussion über zirkuläre Wirtschaft wird das chemische Recycling in jüngster Zeit immer wichtiger. Das belegen zahlreiche Projekte und Forschungsvorhaben in Industrie und Wissenschaft. Die neuen Verfahren können sich zu einem Baustein für eine funktionierende nachhaltige zirkuläre Wirtschaft entwickeln.

Chemisches Recycling ermöglicht das Recycling von derzeit stofflich nicht verwertbaren Kunststoffabfällen. Es kann künftig dem etablierten mechanischen Recycling ergänzend zur Seite gestellt werden. Allerdings dürfen hierfür keine abfallrechtlichen Hürden errichtet werden.
Anstatt Kunststoffe „klassisch“ mittels physikalischer Verfahren aufzubereiten (zum Beispiel durch Umschmelzen), wird der Abfall beim chemischen Recycling mittels (thermo-)chemischer Verfahren in seine chemischen Bausteine zerlegt. Dabei kommen zum Beispiel Pyrolyse, Vergasung oder Solvolyse zur Anwendung. Die gewonnenen chemischen Bausteine entsprechen in ihrer Qualität primären Chemierohstoffen und können wieder für die Produktion neuwertiger Kunststoffe eingesetzt werden.
Mehr Recycling als bisher möglich
Stark vermischte oder verunreinigte Abfallfraktionen, die bisher im Wesentlichen energetisch verwertet werden, können somit künftig für das Recycling neu erschlossen werden. Dies betrifft beispielsweise Abfälle aus Verbundwerkstoffen, Sortierreste, Ersatzbrennstoffe oder Schredderfraktionen, etwa aus den Bereichen Automobil, Elektro oder Bau. Positiver Zusatzeffekt des chemischen Recyclings ist zudem die Entfernung von Verunreinigungen aus dem Kreislauf. Sowohl für die Politik als auch für die Wirtschaft entsteht durch die neuen Verfahren eine zusätzliche Chance, die ständig wachsenden Anforderungen der EU im Bereich des Recyclings mittelfristig erfüllen zu können. Die Etablierung am Markt wird allerdings nur dann gelingen, wenn dem chemischen Recycling die notwendigen Freiheitsgrade im Bereich des Abfallrechts eingeräumt werden und keine negativen Vorfestlegungen erfolgen. Das gilt beispielsweise für die Anrechnung auf die abfallrechtlichen Recyclingquoten.
Gleichbehandlung notwendig
So existiert aktuell zum Teil die Sichtweise, dass die neuen Verfahren abfallrechtlich nicht als werkstoffliches Recycling eingestuft werden sollten und somit auch nicht zur Erfüllung der relevanten Recyclingquoten beitragen dürfen. Sollte sich diese Betrachtung durchsetzen, würde das die Weiterentwicklung der Technologie in Deutschland behindern.
Der VCI hat daher zusammen mit PlasticsEurope Deutschland ein Positionspapier zu dieser Thematik erarbeitet. Dort wird im Detail erläutert, unter welchen rechtlichen Rahmenbedingungen eine Einordnung des chemischen Recyclings als werkstoffliches Recycling auf Basis des geltenden Abfallrechts möglich ist. Wesentliche Forderung beider Verbände ist eine technologieoffene Betrachtung, sodass bei Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen (wie etwa Ökobilanzen, Lebenszyklus-, Massenstrom- sowie Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen) das chemische Recycling ebenso als werkstoffliches Recycling anerkannt wird.
In den nächsten Schritten soll nun im politischen Raum um Akzeptanz und Unterstützung für diese offene abfallrechtliche Einordnung des chemischen Recyclings geworben werden.
Dieser Artikel ist im chemie report 5/2019 erschienen.
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