Podiumsdiskussion von VCI und Berufsverband der Compliance Manager
Unternehmenssanktionsrecht modernisieren
Der Berufsverband der Compliance Manager und der VCI setzen sich dafür ein, das Unternehmenssanktionsrecht in Deutschland weiterzuentwickeln. Beide Organisationen plädieren für eine Stärkung der Compliance in den Firmen. Das machte eine gemeinsame Podiumsdiskussion in Berlin deutlich.

Die Regierungsfraktionen haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, neue und schärfere Regelungen für ein Unternehmenssanktionsrecht einzuführen. Der Hintergrund: Einige prominente Fälle, in denen Unternehmen wegen verschiedener Verstöße in der Kritik standen. Politiker warfen den Unternehmen „organisierte Unverantwortlichkeit“ vor, mit der sich manche Firmen dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entziehen würden
Angesichts dieser Entwicklungen plädieren der Berufsverband der Compliance Manager (BCM) und der VCI für eine Modernisierung des Unternehmenssanktionsrechts. Mit ihren gemeinsam entwickelten Vorschlägen wollen sie die politische Debatte begleiten. Eine Podiumsdiskussion Mitte Oktober in Berlin machte jetzt den Anfang: Rund 60 Politiker, Wirtschaftsvertreter sowie Rechtsanwälte verfolgten die Argumente der Bundestagsabgeordneten Jan-Marco Luczak (CDU/CSU), Johannes Fechner (SPD), Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) sowie von Michael Kubiciel, Universität Augsburg, Mirko Haase, BCM-Präsident, Gabriel Harnier, General Counsel, Bayer AG und Mitglied des VCI-Rechtsausschusses, sowie von Oberstaatsanwalt Markus Weimann, Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main.
Zunächst ging es um die Defizite bei der Verfolgung nach geltendem Recht. Aus Sicht einiger Teilnehmer wirken Geldbußen zu wenig abschreckend. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Fechner betonte, dass es für die Unternehmen spürbare Sanktionen geben müsse. Hierzu gab Harnier zu bedenken: „Die im Koalitionsvertrag vorgeschlagenen 10 Prozent des Umsatzes sind zu hoch bemessen. Schließlich ist der Umsatz vom Gewinn zu unterscheiden. Letzterer liegt oftmals unter 10 Prozent des Umsatzes.“
Auch die fehlende Einheitlichkeit des Vollzugs kritisierten die Diskussionsteilnehmer. Bisher steht die Verfolgung im Ermessen der Behörden und wird in der Praxis in den Bundesländern unterschiedlich umgesetzt. Diese Unterschiede sollten dadurch verringert werden, dass eine Verfolgung von Unternehmensverstößen künftig für die Staatsanwaltschaften obligatorisch sein soll (Legalitätsprinzip). Dies könne durchaus als Verschärfung betrachtet werden, der verschiedene Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung gegenübergestellt werden könnten.
Compliance berücksichtigen
Ein Fokus der Debatte lag auf der Frage, wie die Compliance-Bemühungen von Unternehmen im Rahmen des neu zu schaffenden Unternehmenssanktionsrechts gewürdigt werden sollen. Hierbei stellt sich die Frage, ob Firmen mit einem grundsätzlich funktionierenden Compliance-System überhaupt bestraft werden sollen, wenn Einzeltäter im Unternehmen dieses System überwinden und aus dem Unternehmen heraus einen Verstoß begehen. Hier waren sich die Teilnehmer weitgehend einig, dass bei einem tatsächlich funktionierenden Compliance-System mindestens eine Strafmilderung erfolgen müsse.
Keine Vorteile sollen dagegen rein formale Compliance-Leitlinien dem Unternehmen bringen, wenn diese in der Betriebspraxis systematisch ignoriert werden. Es dürfte auch schwierig werden, zu definieren, wie ein ausreichend wirksames Compliance-System gestaltet sein muss. Rottmann von Bündnis90/Die Grünen forderte eine Beweislastumkehr, wonach bei schwerwiegenden Verstößen aus dem Unternehmen heraus ein Organisationsverschulden des Unternehmens widerlegbar vermutet wird.
Unternehmen brauchen auch Verteidigungsrechte
Darüber hinaus erörterten die Teilnehmer, welche Verteidigungsrechte den Unternehmen in Zukunft zustehen sollten, wenn sie Beschuldigte in einem Sanktionsverfahren sind. Schließlich sei grundsätzlich niemand verpflichtet, sich selbst zu belasten. Das müsse auch für Unternehmen gelten.
Im Verlauf der Diskussion ging es auch darum, inwieweit Ergebnisse aus firmeninternen Untersuchungen von der Staatsanwaltschaft künftig beschlagnahmt werden dürfen sollten. Jüngste Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die nach geltendem Recht weitreichende Beschlagnahmebefugnisse der Verfolgungsbehörden angenommen hatten, würden in ihren Auswirkungen noch potenziert, wenn diese Unterlagen auch unter einem neuen Unternehmenssanktionsrecht sichergestellt werden dürften. Hier sei ein Ausgleich zu finden, der Unternehmen nicht von der Durchführung von internen Untersuchungen abhält, gleichzeitig aber die Arbeitsfähigkeit der Staatsanwaltschaft nicht untergräbt.
Auch einer sanktionsbefreienden Selbstanzeige konnten die Diskussionsteilnehmer etwas abgewinnen. Schließlich motiviere diese die Unternehmen zusätzlich, reinen Tisch zu machen.
Und welches Fazit kann man aus der Veranstaltung ziehen? Es ist ganz klar: Im Unternehmenssanktionsrecht besteht Modernisierungsbedarf. In den kommenden Monaten muss geklärt werden, welche Relevanz das Vorliegen oder Fehlen eines Organisationsmangels im Unternehmen künftig haben sollte.
Positionen der Diskussionsteilnehmer
Für Unternehmen muss es spürbare Sanktionen geben.
Wenn Unternehmen Beschuldigte sein können, müssen damit auch prozessuale Rechte einhergehen.
Bei schwerwiegenden Unternehmensverstößen sollte ein Organisationsverschulden widerlegbar vermutet werden.
Ein Sanktionsrecht würde zwangsläufig zu erhöhtem Aufwand führen, auch bei Unternehmen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen.
Grundsätzlich ist niemand verpflichtet, sich selbst zu belasten.
Mehr zum Thema
- „Für ein moderneres Unternehmenssanktionsrecht" - Gemeinsame Position von VCI und Bundesverband der Compliance Manager
- Kurzfassung des gemeinsamen Positionspapiers von VCI und BCM für ein moderneres Unternehmenssanktionsrecht im Flyer-Format
Dieser Artikel ist in modifizierter Form im chemie report 11/2018 erschienen.