19. Oktober 2016 | Bericht
Schon lange gilt, dass die bloße Teilnahme an einem Treffen von Wettbewerbern, bei dem Wettbewerbsverstöße verabredet wurden, eine kartellrechtliche Verantwortlichkeit nach sich zieht, auch wenn das Unternehmen nicht aktiv an den Absprachen beteiligt ist und diese auch nicht umsetzt. In einer neueren Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) diesen Grundsatz nun auf die Fernkommunikation übertragen.

Insbesondere Unternehmen, die an Dienstleistungssystemen oder IT-Plattformen teilnehmen und über ein solches System mit Wettbewerbern verbunden sind, müssen aufpassen. Aber auch der Empfang von E-Mails mit wettbewerbswidrigem Inhalt kann einen Kartellverstoß begründen. In dem vom EuGH entschiedenen Fall boten Unternehmen über ein IT-Buchungsportal Reisen an. Auf Initiative des Systemadministrators wurden alle teilnehmenden Firmen per elektronische Mitteilungen aufgefordert, bei Buchungen eine Rabattobergrenze von drei Prozent einzuhalten. Eine technische Beschränkung wurde im System eingerichtet, die die Rabatte automatisch auf diesen Prozentsatz begrenzte. Nach Auffassung des EuGH konnte in diesem Fall vermutet werden, dass die Unternehmen, ab der Zeit, ab der sie von der Mitteilung des Systemadministrators Kenntnis erlangt hatten, diese stillschweigend gebilligt und sich damit „passiv“ an dem Wettbewerbsverstoß beteiligt haben.
Distanzieren oder Kartellbehörden einschalten
Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem das betroffene Unternehmen sich öffentlich von der kartellrechtswidrigen Verhaltensweise distanziert oder die Kartellbehörden einschaltet. Auch der Nachweis, einer kartellrechtswidrigen Aufforderung nicht gefolgt zu sein, soll nach Auffassung des EuGH zur Widerlegung der Vermutung ausreichen. Hier liegt ein entscheidender Unterschied zur Kenntniserlangung von Kartellverstößen im Rahmen physischer Treffen. Dort reicht es gerade nicht aus, dass das Unternehmen nachweist, die Absprache nicht umgesetzt zu haben. Obwohl das bloße Versenden einer elektronischen Mitteilung noch nicht die Vermutung der Kenntnisnahme des Inhalts durch den Empfänger begründen kann, sollten Unternehmen vorsichtig sein: Spätestens, wenn eine E-Mail geöffnet wurde, muss von der Kenntnis des wettbewerbswidrigen Inhalts ausgegangen werden.
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RA Marcel Kouskoutis
Gewerbliche Schutzrechte, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Zivil- und Vertragsrecht, Verbraucherschutz
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