„Welt im Wandel" – Podiumsdiskussion des VCI in Düsseldorf
Wichtiger Dialogpartner für Energiewende und Freihandel
Die Erwartungen der Gesellschaft an die Chemieindustrie sind hoch – besonders beim Thema Klimaschutz. Gleichzeitig wird sie als zukunftsfähige und innovative Branche angesehen. Das wurde auf der Podiumsdiskussion zur VCI-Veranstaltung „Welt im Wandel. Welche Industriepolitik braucht Deutschland?“ Anfang März im Haus der Universität in Düsseldorf deutlich. Der hohe Anspruch an die Verantwortung der Branche ging aber gleichzeitig einher mit neuen Angeboten zum Dialog.

Vor der Diskussionsrunde mit den drei Gesprächspartnern hatte VCI-Präsident Kurt Bock den gut 100 Gästen in einer 20-minütigen Keynote erläutert, warum die politischen Rahmenbedingungen einen wichtigen Einfluss auf die weitere Entwicklung der chemisch-pharmazeutischen Industrie haben (die wesentlichen Inhalte seiner Rede „Industriepolitik ist Zukunftspolitik für Deutschland“ finden Sie hier)
Garrelt Duin, Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, machte zu Beginn der Diskussion deutlich, dass er die Industrie als einen unverzichtbaren Bestandteil der Wirtschaft einstuft. Besonderen Wert ordnete er dabei den intakten industriellen Wertschöpfungsketten in Deutschland zu. Mit ihrer Vielfalt begründete er seine Auffassung, dass Industriepolitik eine Querschnittsaufgabe sei.
Auch Professor Uwe Schneidewind, Leiter des "Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie", sagte, dass er für die „Querschnittsindustrie“ Chemie eine gute Zukunft sehe: „Chemisch-pharmazeutische Produkte werden gebraucht. Daher sollte die Branche mit Gelassenheit auf die kommenden Transformationsprozesse in der Weltwirtschaft blicken.“
Grund zu übermäßiger Gelassenheit sah VCI-Präsident Kurt Bock allerdings nicht: „Die Chemie wird es immer geben, aber der Wandel in der Branche wird gewaltig sein.“ Um diesem am Standort Deutschland gewachsen zu sein, sei die Branche auf die richtigen politischen Rahmenbedingungen angewiesen. Bock verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Chemieindustrie in Europa bereits intensiv reguliert werde. „Das ist grundsätzlich auch in Ordnung, da es gleiche Spielregeln für alle bedeutet. Aber es muss in jedem einzelnen Fall geprüft werden, ob die Regulierung mit Augenmaß ausgestaltet ist.“
Klimaschutz im Mittelpunkt der Diskussion
Wirtschaftsminister Duin betonte, dass es zu den originären Aufgaben der Politik gehöre, Erwartungen an die Industrie zu adressieren: „Es muss aber ein Miteinander von Regulierung und wirtschaftlichem Erfolg geben. Beim Thema Klimaschutz zum Beispiel dürfen politische Vorgaben nicht über das technisch Machbare hinausgehen.“ Ihm fehlen in der Debatte um die Energiewende vor allem quantifizierbare Ziele für Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit.
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NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin: „Ein Einfrieren der EEG-Umlage wäre ein wesentlicher Beitrag zu Investitions- und Planungssicherheit.“ |
Pfarrer Klaus Breyer, Leiter des Instituts für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen, sieht die Chemieindustrie beim Klimaschutz in einer besonderen Verantwortung: „Die Chemie stellt viele Produkte her, die für den Klimaschutz unverzichtbar sind. Deswegen muss sie sich mit ihrer wirtschaftlichen Stärke besonders für den Klimaschutz engagieren. Die politischen Vorgaben dürfen aber nicht so weit gehen, dass sie zu einer De-Industrialisierung in Deutschland führen.“
Als entscheidenden Effekt der deutschen Energiewende machte Professor Schneidewind vor allem die globale Vorbildwirkung aus. Die deutsche Politik habe mit dem Erneuerbare-Energie-Gesetz so etwa dazu beigetragen, dass Solaranlagen auch für Entwicklungsländer erschwinglich geworden seien. Bock hielt dem entgegen, dass bei der Umsetzung der Energiewende Vieles im Argen liege: „Die Energiewende ist viel teurer geworden, als man es sich jemals vorstellen konnte. Meiner Meinung nach haben wir noch immer kein überzeugendes Konzept dafür, wie wir in Deutschland in Zukunft an sonnen- und windarmen Tagen genug Strom erzeugen wollen.“
Offener Dialog erwünscht – bei Freihandel und Energiepolitik
Das Thema Freihandel wurde ebenfalls auf dem Podium diskutiert. Pfarrer Breyer wies dabei auf Kommunikationsmängel rund um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP hin: „Es wurde der Eindruck erweckt, dass geheim verhandelt wird und Umwelt- und Verbraucherschutzstandards abgesenkt werden sollten.“ Nach dem Regierungswechsel in den USA mit anderen handelspolitischen Prioritäten könne die EU sich die Zeit nehmen, ein Abkommen zu entwickeln, das Vertrauen in der Bevölkerung genießt. „Ich lade die Chemieindustrie zu einem weiteren Dialog mit den Kirchen beim Thema Freihandel ein.“
Auch Schneidewind hält es für wichtig, dass sich die Chemiebranche für neue Kooperationspartner öffnet, um im Dialog mit der Gesellschaft zu neuen Lösungen zu kommen – bei der Handelspolitik wie bei der Energiewende.
VCI-Präsident Bock machte deutlich, dass er die Vorwürfe gegen TTIP für falsch hält. Gleichwohl sei seine Branche immer offen für Dialog: „Gerade die Chemieindustrie hat gelernt, dass Vertrauen nur durch Transparenz und Offenheit geschaffen werden kann.“
Video zur Veranstaltung zum Nachschauen