VCI-Zukunftsdialog Chemie und Pharma

Industriemuseum Deutschland verhindern

25. März 2021 | Bericht

Mitten in der Corona-Pandemie hat der VCI Ende März in seinem „Zukunftsdialog Chemie und Pharma“ mit dienstjungen Bundestagsabgeordneten virtuell über die richtigen Weichen für die Zukunft diskutiert. Klar wurde dabei, dass die Rezepte für den Weg aus der Krise und zur Meisterung großer Zukunftsherausforderungen wie dem Klimawandel die gleichen sind. Deutschland braucht hohes Innovationstempo, schnelle Genehmigungsverfahren und einen Schulterschluss zwischen Politik und Wirtschaft.

Im Vorfeld der Bundestagswahl organisierte der VCI eine virtuelle Diskussionsrunde mit dienstjungen Bundestagsabgeordneten: Das lockte rund 1.000 Zuschauerinnen und Zuschauer vor die Bildschirme. - Foto: © VCI
Im Vorfeld der Bundestagswahl organisierte der VCI eine virtuelle Diskussionsrunde mit dienstjungen Bundestagsabgeordneten: Das lockte rund 1.000 Zuschauerinnen und Zuschauer vor die Bildschirme. - Foto: © VCI

Bundeswirtschaftsminister Altmaier eröffnete den VCI-Zukunftsdialog mit einer Videobotschaft. Er machte deutlich, dass er gemeinsam mit den Unternehmen die Transformation der Chemie- und Pharmaindustrie in eine klimaneutrale Branche schaffen will. Ihm sei klar, dass dafür ausreichende Mengen an grünem Strom und Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen nötig sind und betonte: „Wir wollen, dass die chemisch-pharmazeutische Industrie am Standort Deutschland auch in 50 Jahren noch eine gute Heimat hat.“

Markus Steilemann, CEO von Covestro und VCI-Vizepräsident
Markus Steilemann, CEO von Covestro und VCI-Vizepräsident © VCI

Dafür seien massive Anstrengungen nötig, machte VCI-Vizepräsident Markus Steilemann, CEO von Covestro, deutlich: „Wir stehen an einer Wegmarke: Wird Deutschland Industriemuseum oder bleiben wir Zukunftsstandort? Wie kann eine gute Zukunft gelingen?“

Große Investitionen und mehr Tempo

Katharina Dröge, Wirtschaftspolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen
Katharina Dröge, Wirtschaftspolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen © VCI

Eine zentrale Stellschraube dafür ist für Katharina Dröge, MdB, das Innovationstempo. Die wirtschaftspolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen sprach sich in der Diskussion sogar für ein 500 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm aus: „Wir brauchen massive Investitionen in die Infrastruktur der Zukunft: schnelles Internet sowie schneller Ausbau der Stromnetze und der Infrastruktur für Elektromobilität.“ Sie bot der Branche einen „Klimapakt“ an.

Siemtje Möller, Sprecherin Seeheimer Kreis der SPD
Siemtje Möller, Sprecherin Seeheimer Kreis der SPD © VCI

Bei der Transformation müssten aber auch die Arbeitsplätze erhalten bleiben, ergänzte die SPD-Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller.

Mark Helfrich, CDU, im Gespräch mit Moderator Henning Quanz
Mark Helfrich, CDU, im Gespräch mit Moderator Henning Quanz © VCI

Den Finger in die Wunde legte Mark Helfrich, CDU-Abgeordneter und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie: „Investitionen scheitern in Deutschland nicht am Geld, sondern an Planungs- und Genehmigungsverfahren.“

Markus Steilemann erwiderte energisch, dass die Probleme grundsätzlich bekannt seien, Absichtserklärungen aber nicht ausreichten. Dazu seien auch innovationsfreundlichere Regeln unter anderem in der Chemikalienpolitik nötig. Sollten schärfere Gesetze in diesem Bereich Innovationen abwürgen, hätte das Auswirkungen auf die komplette Industrie.

Hemmschuh Bürokratie und Genehmigungsverfahren

Chemieunternehmer Henrik Follmann berichtete in einer Videobotschaft, was Erfindergeist und Mut der deutschen Mittelständler jeden Tag hemmt. Der Vorsitzende des VCI-Ausschusses Selbständiger Unternehmer sagte: „Das Virus kann uns nicht stoppen, was uns aber stoppt und aufhält, ist die Bürokratie.“ Das bestätigten auch viele Kommentare seitens der Zuschauerinnen und Zuschauer.

Lukas Köhler, Klimapolitischer Sprecher der FDP
Lukas Köhler, Klimapolitischer Sprecher der FDP © VCI

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Lukas Köhler reagierte darauf: „Gefühlt wird jedes Verfahren mit Bürokratie überfrachtet.“ Sicherheit und Schnelligkeit müssten miteinander verbunden werden, dem Vorsorgeprinzip ein Innovationsprinzip zur Seite gestellt werden. Mark Helfrich ergänzte: „Wir wollen in Deutschland immer 110 Prozent Sicherheit. Dabei kommt aber regelmäßig raus, dass 100 Prozent nichts passiert.“

Katharina Dröge kritisierte ihrerseits die „unfassbar langsamen“ Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland. Die Hauptprobleme sieht sie in fehlender Digitalisierung und im Personalmangel in den Behörden. Zur Lösung sei eine Personal- und Planungsoffensive nötig: „Auch eine frühzeitige Bürgerbeteiligung kann Konflikte zu Verfahrensbeginn entschärfen“, sagte Dröge.

Markus Steilemann appellierte an die Politikerinnen und Politiker, den Bürokratieabbau und die Entschlackung von Genehmigungsprozessen in der nächsten Legislaturperiode ernsthaft und langfristig anzugehen. Er mahnte dabei eine Bürgerbeteiligung mit Augenmaß an. Vollständige Transparenz mit Planungsunterlagen im Internet würde Wettbewerbern weltweit Zugriff auf Betriebsgeheimnisse per Mausklick ermöglichen.

Knackpunkt Energiewende

Die zentrale Zukunftsherausforderung ist der Klimawandel. Das wurde beim VCI-Zukunftsdialog immer wieder deutlich. Katharina Dröge betonte: „Die Chemieindustrie ist der Schlüssel. Ohne sie werden wir Klimaneutralität in Deutschland nicht schaffen.“ Für Klimaneutralität sind aber riesige Mengen Grünstrom zu günstigen Preisen notwendig. Dieses Thema treibe auch den Mittelstand stark um, wie Chemieunternehmer Georg Schöberl von basi Schöberl in einer Videobotschaft zu Bedenken gab. Er fragte die Abgeordneten, was sie gegen ständig steigende Energiekosten tun könnten? Die Energiewende müsse mit wettbewerbsfähigen Strompreisen weitergeführt werden, so Schöberl.

Mark Helfrich plädierte in seiner Antwort für Importe im Bereich erneuerbarer Energien. Siemtje Möller widersprach in Teilen: „Erst einmal müssen wir den Ausbau von Grünstrom in Deutschland schneller vorantreiben.“ Katharina Dröge freute ihrerseits der „flammende Appell der Branche für einen Ausbau der erneuerbaren Energien“. Damit sei die Chemie- und Pharmabranche weiter als die Bundesregierung. Sie sagte, dass sich die Grünen zum Thema Energiekosten im Mittelstand noch einmal Gedanken machen möchten. Für Lukas Köhler, Klimapolitischer Sprecher der FDP, ist der Weg zu einer bezahlbaren Energiewende dagegen schon klar: „Wir müssen komplett raus aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und vollständig auf die segensreiche Wirkung des Emissionshandels setzen.“ Markus Steilemann richtete den Blick abschließend auch auf die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung: „Wir brauchen Dialog, Dialog, Dialog. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Bevölkerung die Transformation mitträgt.“

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 Jürgen Udwari

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Jürgen Udwari

Pressesprecher Energie, Klimaschutz und Rohstoffe