Zukunftsdialog Chemie
„Das EEG muss weg!“
Ausgehend von der Frage „Der europäische Green Deal – Kick-Start oder Stolperstein für die Chemieindustrie?“ diskutierte ein hochkarätig besetztes Gremium, wie die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingen gestaltet werden müssen, um die Ziele des Megaprojektes zu erreichen. Dabei ging es vor allem um die Klima- und Energiepolitik in der EU und Deutschland.

Der Green Deal wird große Auswirkungen auf die Zukunft der Chemie in Europa haben – und damit besonders auf die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland als größten Produzenten in der EU. Das Projekt hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Mitte Dezember letzten Jahres angekündigt. Es umfasst ein Paket mit 47 geplanten Maßnahmen für mehrere Politikbereiche. Die chemisch-pharmazeutische Industrie ist einer der Hauptadressaten: 46 Maßnahmen betreffen direkt oder indirekt die Tätigkeit der Branche. Neben weitreichenden klima- und energiepolitischen Zielen sind im Green Deal viele ambitionierte Maßnahmen für weitere Politikbereiche geplant: Im Maßnahmenkatalog geht es um Industrie- und Chemikalienpolitik, Umwelt- und Finanzpolitik, Förderung der Kreislaufwirtschaft, Schutz der Biodiversität und auch nachhaltige Landwirtschaft. Kernelement des Projektes ist jedoch die Treibhausgasneutralität der EU bis 2050. Mitte September hat von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union als Vorschlag angekündigt, das Klimaziel für die EU bis 2030 auf mindestens minus 55 statt bisher 40 Prozent anzuheben.
Weil der Green Deal der EU so gravierende Auswirkungen für unsere Branche haben kann, stand er im Mittelpunkt des hochrangig besetzten VCI-Zukunftsdialogs am 25. September in Düsseldorf. Zum Panel gehörten neben VCI-Präsident Christian Kullmann Annalena Baerbock, Parteivorsitzende von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und der IG BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis. Das Interesse an der Veranstaltung war nach einer intensiven Bewerbung des VCI insbesondere in sozialen Medien enorm: Insgesamt dürften vermutlich bis knapp an die tausend Interessierte aus VCI-Mitgliedsunternehmen, Medien, der Politik, anderen Institutionen und Kundenbranchen die Diskussion über den Livestream oder direkt vor Ort verfolgt haben. Wie spannend die Runde verlief, zeigten die vielen Fragen, die über den Chat hereinkamen.
„Grüne Überschriften“ konkretisieren
Klimaschutz mit Augenmaß gefordert
Probleme der Energiewende
Auch der NRW-Ministerpräsident äußerte Zweifel, dass Deutschland in Zukunft seinen Energiebedarf komplett aus erneuerbaren Energien speisen könne. Gas werde als Brücke benötigt. Auch werde Deutschland auf lange Sicht seinen Energieverbrauch nicht national decken können. Daher seien Partnerschaften mit anderen Ländern wichtig. So könne eine Wasserstoffwirtschaft nur in europäischer Kooperation entwickelt werden.
In der Diskussionsrunde kritisierte Kullmann, dass bei der deutschen Energiewende Realitäten ausgeblendet werden. „Wenn wir 2050 als chemische Industrie klimaneutral produzieren wollen, für Wachstum und Wohlstand sorgen, Arbeitsplätze schaffen, dann benötigen wir mehr Strom, als Deutschland jährlich derzeit verbraucht", unterstrich Kullmann mit Verweis auf die Ergebnisse der VCI-Studie zum Branchenziel Treibhausgasneutralität. Das sei mit Regenerativen allein nicht zu schaffen. „Gas gehört dazu." Daher sei auch die Fertigstellung der Ostseepipeline Nord Stream 2 nötig. Dadurch werde der preisliche Wettbewerb auf dem Gasmarkt aufrechterhalten. Als energieintensive Branche benötige die Chemie Wettbewerb im Strommarkt, um den attraktivsten Preis auswählen und Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Die Einschätzung zu Nordstream 2 teilte die Grünen-Vorsitzende nicht. Sie betrachtet eine Fertigstellung der Gaspipeline als „außen- und energiepolitisch falsch.“ Der VCI-Präsidenten sprach sich weiterhin für eine Abschaffung des EEG aus. Der Mechanismus der Regulierung, die vor 20 Jahren als Starthilfe für die Einbindung erneuerbarer Energien in den Strommix sinnvoll gewesen sei, funktioniere heute nicht mehr und habe sich zu einem kostspieligen, bürokratischen Monster entwickelt. Deutschland müsse für das Ziel Treibhausgasneutralität mehr und schneller in Erneuerbare Energien investieren. „Deshalb muss das EEG weg.“
Fazit: In nur wenigen Aspekten der Diskussion rund um den Green Deal trennten die vier Personen unvereinbare Positionen. Einigkeit bestand vor allem darin, dass Umwelt- und Wirtschaftsprobleme gleichzeitig gelöst werden müssten. Und: Die Ziele des Green Deal lassen sich nur durch ein Miteinander von Politik und Wirtschaft und nicht gegeneinander erreichen.