Industrie- und Klimapolitik
An einem Strang ziehen
Die Chemie gibt in nahezu allen Industriezweigen wichtige Impulse auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität. Da die Branche von Hause aus energieintensiv und daher nicht nur von industrie-, sondern auch von klimapolitischen Entscheidungen betroffen ist, sollten sich die Zielsetzungen in diesen beiden Politikfeldern sinnvoll ergänzen.

Die neue EU-Kommission will die Europäische Union bis 2050 zur Klimaneutralität führen. Die Zielmarke für diesen „Green Deal für Europa“ ist nur noch zwei Investitionszyklen entfernt. Deshalb muss die EU-Kommission jetzt aufzeigen, wie sie die politischen Weichen bis 2024 so stellt, dass die ehrgeizigen Ziele auch erreicht werden können. Im Detail geht es um:
Bessere Rechtssetzung ausbauen
Initiativen wie das Innovations- und „One in, one out“-Prinzip sowie der Wettbewerbscheck sind gut und richtig. Sie erleichtern es den Unternehmen, aus Forschung marktfähige klimaschonende Produkte zu entwickeln.
Energie- und Rohstoffzufuhr sichern
Die Chemieindustrie muss umfassend auf bezahlbare erneuerbare Energien und Rohstoffe zurückgreifen können. Die EU sollte deshalb zumindest die Marktkopplung sowie den Ausbau supranationaler Strom- und Gasnetze weiter stärken. Wichtig ist auch die anstehende europäische Gasmarktreform, die auf eine verstärkte Nutzung regenerativer Gase abzielt.
Emissionshandel fortführen
Der EU-Emissionshandel garantiert, dass Industrie und Energiewirtschaft die Klimaschutzziele erreichen – und das zum volkswirtschaftlich günstigsten Preis. Neue Ansätze wie eine EU-weite CO2-Steuer wären nur als Alternative denkbar. Auch die Ausdehnung auf weitere Sektoren ist kritisch: Da wirksame Treibhausgasreduktion in Verkehr und Gebäuden viel teurer ist als bei den erfassten Sektoren, müssten sie separat reguliert werden.
Investitionen stärken
Die EU-Klimaziele sind ambitioniert und kosten jährlich etwa 260 Milliarden Euro. Mit dem „Green Deal“ soll das 2030- Ziel auf minus 55 Prozent Treibhausgasemissionen erhöht werden. Um den massiven Investitionsbedarf zu mobilisieren, sollte die EU Förderstrategien für Zukunftsthemen entwickeln, das Beihilferecht anpassen, den Haushalt stärker auf Investitionen ausrichten und Genehmigungsverfahren beschleunigen.
Realwirtschaft einbinden
Die EU-Kommission diskutiert mit der Finanzwirtschaft über nachhaltige Finanzierung. Leider wurde die Industrie bisher kaum eingebunden. Es droht, dass energieintensive Verfahren pauschal negativ eingestuft werden – obwohl sie Vorprodukte für Klimatechnologien liefern. Beispiel: Batterien für Elektromobilität.
Mittelstand breiter definieren
Aus Sicht der Industrie greift die bisherige Definition der EU für „kleine und mittlere Unternehmen“ zu kurz: Danach haben Mittelständler nur maximal 250 Mitarbeiter und 50 Millionen Euro Umsatz. Größere Betriebe werden Großunternehmen gleichgestellt – das ist schlecht für eine mittelstandsfreundliche Gesetzgebung und Förderung.
INFOGRAFIK: Der Weg zur treibhausgasneutralen Chemieindustrie
Treibhausgasemissionen der deutschen Chemie aus Prozessen, Energiebedarf und Produkten; Quellen: VCI, Dechema, FutureCamp
Treibhausgasneutralität im Blick
Die Chemieindustrie steht auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität bis 2050 vor einer umfassenden Transformation. Diese ist technologisch zwar möglich, allerdings mit sehr hohen Kosten sowie einem extrem hohen Bedarf an Strom aus erneuerbaren Energiequellen verbunden. Das ist das Ergebnis der Studie „Roadmap Chemie 2050 - Auf dem Weg zu einer treibausgasneutralen chemischen Industrie in Deutschland“.
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