31. August 2021 | Bericht
Die EU-Kommission hatte 2019 Grenzausgleichsmaßnahmen zum Klimaschutz angekündigt – nun wird sie konkret.

Im Rahmen des „Fit for 55“-Paketes hat die EU-Kommission einen Verordnungsentwurf für Grenzausgleichsmaßnahmen zum Klimaschutz (CBAM) vorgestellt. In einem „Als ob-Emissionshandelssystem“ sollen demnach eigene CBAM-Zertifikate eingeführt werden, die auf dem EU-Emissionshandel aufbauen. Das klingt zunächst kryptisch. Anhand einiger Beispiele wird aber deutlich, was die Pläne für die chemisch-pharmazeutische Industrie bedeuten würden – wohlwissend, dass sich im politischen Prozess noch Änderungen ergeben werden.
Neues System angekündigt
Insgesamt würde der Vorschlag einen Regimewechsel beim Schutz vor Carbon Leakage bringen, also bei der Vermeidung der Verlagerung von CO2-Emissionen wegen zu hoher Kosten. Die EU-Wirtschaft soll nicht mehr durch Entlastungen auf das niedrigere Kostenniveau des Weltmarktes gebracht werden, sondern stattdessen Importe auf das höhere Kostenniveau in der EU. Das klingt nur im ersten Moment fair. Wenn Produktions- und Handelsprozesse zu Ende gedacht werden, bleibt ein Wettbewerbsnachteil gegenüber internationalen Wettbewerbern.
Die Pläne hätten unterschiedliche Folgen für Produzenten und Weiterverarbeiter als Importeure und Exporteure. CBAM würden nur ausgewählte CO2-intensive EU-Produzenten auf dem EU-Binnenmarkt vor Wettbewerbern mit geringeren Klimakosten aus dem Ausland schützen. Im Gegenzug verlören sie sukzessive ihre bisherigen kostenlosen Zertifikate aus dem EU-Emissionshandelssystem.
Anders sieht es für Weiterverarbeiter aus: Sie zahlen die Mehrkosten der heimischen Zulieferer oder der importierten Rohstoffe. Außerdem kommt auf Importeure mehr Bürokratie durch komplizierte Registrierungen für den Erwerb von CBAM-Zertifikaten zu. Darüber hinaus müssen sie dafür sorgen, dass ausländische Hersteller belastbare Daten erheben und nachweisen können.
Für Exporteure – egal ob Grundstoffchemie oder Weiterverarbeiter – sind aktuell keine Entlastungen vorgesehen. Sie müssen dann mit ihren CBAM-verteuerten Produkten auf dem Weltmarkt bestehen – düstere Aussichten für die exportstarke deutsche Chemie.
Ammoniak und Salpetersäure als Beispiel
Die Chemie soll bisher „nur“ über „Düngemittel“ einbezogen werden. Dazu gehören aber auch die Vorprodukte Ammoniak und Salpetersäure. Beides sind wichtige Rohstoffe für andere Wertschöpfungsketten der chemischen Industrie. Sie werden über komplexe Prozesse und Wertschöpfungsstufen weiterverarbeitet. Hieraus hergestellte Produkte werden schließlich exportiert. Steigende Kosten aus dem Emissionshandel und die parallele Einführung eines CBAM-Importaufschlags zum Schutz der lokalen EU-Hersteller werden Ammoniak für EU-Weiterverarbeiter verteuern und ihre Wettbewerbsfähigkeit schwächen. Außerdem ist wahrscheinlich, dass die Verordnung im Laufe der Zeit erweitert wird – mit ähnlichen Folgen für weitere Grundchemikalien.
Nachteile drohen auch aus politischen Risiken: Vergeltungsmaßnahmen unserer Handelspartner für die „Bestrafung“ ihrer Firmen oder die Einführung eigener, den eigenen Interessen angepasster, CBAM-Systeme dürften die Handelskosten künftig erhöhen.
Unklar bleibt, ob der angestrebte Carbon-Leakage-Schutz für CO2-intensive Branchen überhaupt erreicht werden kann, oder durch Umgehungstaktiken von Handelspartnern ins Leere laufen wird. Kontrollen wiederum, zum Beispiel durch eine Verifizierungsbürokratie, würden zwangsläufig zu erhöhten Transaktionskosten führen. Der VCI empfiehlt daher, frühzeitig zu prüfen, was CBAM für Ihr Unternehmen bedeutet. Hinweise auf Chancen und Risiken nehmen wir gerne entgegen.
Kontakt
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Kontaktperson
Dr. Matthias Blum
Abteilungsleitung Außenwirtschaft, Außenwirtschaftspolitik, europäische/nationale Industriepolitik
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