Künstliche Intelligenz
Die nächste Digitalisierungswelle kommt
Die Digitalisierung der Wirtschaft ist noch lange nicht abgeschlossen. Sie erreicht gerade mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) die nächste Stufe. Darauf hat Prof. Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz im öffentlichen Teil der VCI-Mitgliederversammlung hingewiesen.

Mensch, Maschine, Künstliche Intelligenz – Wer oder was bestimmt unsere Zukunft? Dieser Frage widmete sich Prof. Wahlster in seinem Vortrag vor über 200 Gästen in Ludwigshafen. Und die Antwort fiel versöhnlich aus: Es ist immer noch der Mensch, der das Heft des Handelns in der Hand hat. Allerdings werden ihm die Maschinen dabei immer stärker zur Hand gehen.
Zusammenarbeit mit Robotern
Bei Robotern hat KI dagegen schon längst die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine auf eine neue Stufe gehoben. „Wir sind heute so weit, dass Roboter nicht mehr irgendwo in Käfigen abseits vom Menschen irgendein Auto lackieren oder schweißen. Heute sprechen wir von kollaborativen Robotern, sogenannten Cobots, die auf den Facharbeiter eingehen und ihm zuarbeiten.“ Auf diesem Gebiet sei Deutschland führend, so Wahlster. Hier gebe es im internationalen Vergleich die höchste Roboterdichte, die kollaborativ arbeitet, und trotzdem eine niedrige Arbeitslosenquote.
Auch in der chemisch-pharmazeutischen Industrie gibt es solche Entwicklungen. Wahlster schilderte eine Fabrik, die Flüssigseife in Losgröße eins nach individuellen Wünschen herstellt und abfüllt. Außerdem kämen Maschinen bei „robotischer Hochdurchsatzforschung“ im Pharmabereich zum Einsatz. Wahlster: „Ein Unternehmen besitzt 1,6 Millionen chemische Verbindungen, und die werden 24 Stunden pro Tag von Robotern forschend kombiniert, sodass täglich 150.000 Datenpunkte für neue Medikamente entstehen. Früher hatte man dort vielleicht 100, die von Chemielaboranten mit Pipetten erzeugt wurden.“
Besser als der Mensch?
Wahlster sprach auch eine Frage an, die ihm oft im Rahmen seiner Vorträge gestellt wird: Nämlich, ob Maschinen den Menschen irgendwann ersetzen werden. Darum gehe es nicht, so der Professor, vielmehr sollten KI-Systeme Menschen helfen. Computer hätten zwar in Sachen kognitiver Intelligenz die Nase vorn und eine viel größere Rechenleistung. Betrachte man aber die sensomotorische, die emotionale und soziale Intelligenz, wären Menschen Maschinen immer noch weit überlegen. Er verdeutlichte das am Thema Fußball: „Sehen Sie sich einen Ronaldo an und dann unsere deutschen Fußballroboter. Die sind zwar schon sechsmal Weltmeister geworden und damit besser als das echte Team. Trotzdem spielen sie viel langsamer und auch nicht so elegant. Wir haben zwei Jahre gebraucht, um denen den Doppelpass beizubringen.“
Neue Exportschlager
Dennoch hat künstliche Intelligenz nach Ansicht von Wahlster die Fähigkeit, der deutschen Wirtschaft einen Wachstumsschub zu geben. So sei es in den letzten Jahren bereits gelungen, den Begriff „Industrie 4.0“ zu einer international genutzten Vokabel zu machen. Jetzt gehe es darum, hier produzierte Autos, Maschinen und Steueranlagen auf die nächste Stufe zu heben. Wahlster: „Unsere Idee für die deutsche Wirtschaft ist, dass wir künstliche Intelligenz in unsere Exportschlager einbetten.“
Großes Potenzial
Dieser Artikel ist im chemie report 10/2018 erschienen.