Editorial chemie report spezial 05/2011

Wir haben keine Zeit zu verlieren

27. Mai 2011 | Standpunkt

Im Editorial des chemie report spezial 5-2011 rät der Präsident des VCI, den Arbeitsaufwand bei der zweiten Etappe der REACH-Verordnung nicht zu unterschätzen.

Dr. Klaus Engel, VCI-Präsident © Christian Schlüter
Dr. Klaus Engel, VCI-Präsident © Christian Schlüter

Dem römischen Philosophen, Naturforscher und Staatsmann Lucius Seneca wird der Satz zugeschrieben: „Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.” Auch wenn diese Äußerung von einer historischen Person stammt, die vor fast 2.000 Jahren lebte, passt sie zu der Situation, in der sich alle Unternehmen befinden, die von der zweiten Etappe der REACH-Verordnung betroffen sind: Die Frist für die Registrierung von Stoffen mit einem Produktions- oder Importvolumen von jährlich 100 bis 1.000 Tonnen läuft Ende Mai 2013 ab — also exakt in zwei Jahren.
Vor allem Unternehmen, die bisher noch keine Erfahrung mit dem Registrierungsprozess gesammelt haben, sollten die Lebensweisheit von Seneca beherzigen. Alle Mitgliedsunternehmen des VCI sind gut beraten, jetzt mit der Erstellung der Registrierungsdossiers zu beginnen. Denn es liegt eine komplexe Aufgabe vor ihnen, bei der viele Hürden zu überwinden und Risiken zu beachten sind. Das zumindest ist die gemeinsame Erfahrung der Firmen aus der ersten Umsetzungsetappe der REACH-Verordnung.
So wäre es ein großer Fehler, den Arbeitsaufwand zu unterschätzen, der in den kommenden 24 Monaten von jedem Betrieb geleistet werden muss, der seine Geschäftsgrundlage mit den zu registrierenden Stoffen bestreitet. Die geforderten Stoffinformationen für die Registrierung in der zweiten Etappe von REACH sind praktisch genauso anspruchsvoll wie für die Großstoffe während der ersten Registrierungsfrist. Der notwendige Informationsaustausch mit den Kunden über die abgedeckten Verwendungen der Stoffe wird sogar größer sein, weil der Kundenkreis vermutlich zunimmt. Die Kommunikation in der Lieferkette mit dem erweiterten Sicherheitsdatenblatt ist fachlich hochkomplex und zeitraubend. Es bestehen zahlreiche Pflichten für Lieferanten und Kunden. Der Praxisführer des VCI zur Expositionsbewertung in der Lieferkette hilft dabei, mit erprobten Konzepten für Stoffe und Gemische sowie mit zahlreichen Beispielen den Überblick zu behalten und einen gangbaren Weg zu finden.
Nicht zu vernachlässigen ist außerdem das Risiko, dass die auf dem Markt bestehenden Laborkapazitäten für toxikologische oder ökologische Untersuchungen nicht ausreichen. Strategisch richtig ist es daher, solche Prüfaufträge möglichst frühzeitig zu vergeben. Zu beachten ist auch, dass bei einer gemeinsamen Registrierung mit anderen Unternehmen die Abstimmung in den SIEF-Foren oder Konsortien in der Regel viel Zeit beansprucht. Nicht zuletzt stellt der Lernprozess im Umgang mit der IT-Struktur und den von der ECHA verlangten Datenformaten eine Herausforderung dar. Auch der VCI hat keine Zeit zu verlieren: Die REACH-Verordnung enthält den Auftrag an die EU-Kommission, bis Juni 2012 den Geltungsbereich des Gesetzes und die Überschneidung mit anderen Regelungen zu prüfen. Dies könnte zu Änderungen der Verordnung führen. Der VCI wird diesen REACH-Review intensiv begleiten. Unser Ziel ist dabei klar definiert. Die Unternehmen brauchen Rechtssicherheit und ein stabiles Umfeld, um sich voll auf die Erfüllung ihrer REACH-Pflichten zu konzentrieren. Die Umsetzung der ohnehin extrem komplexen Verordnung darf nicht noch schwieriger oder umfangreicher werden. Im Gegenteil: Gefragt sind Vereinfachungen und Verbesserungen für die Industrie.

Dr. Klaus Engel
Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI)

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