14. Dezember 2021 | Bericht
Die EU-Kommission muss die Belastungsbremse noch stärker ziehen.
Evidenzbasierte, effiziente und transparente politische Entscheidungen mit Einbeziehung der jeweils betroffenen Stakeholder sowie Vermeidung unnötiger Bürokratie: Das Ziel der Europäischen Kommission ist gut. Leider verspricht die Kommission beim wichtigen Belastungsstopp momentan mehr als sie hält. Doch der erweiterte „Werkzeugkasten“ beinhaltet auch Chancen.
Bekenntnis zur besseren Rechtsetzung
Ende November wurde der bestehende „Werkzeugkasten“ zur besseren Rechtsetzung (BR), der Anleitungen für Folgenabschätzungen mit internen Qualitätschecks, Konsultationen, Evaluationen sowie „Fitnesschecks“ ganzer Regulierungscluster beinhaltet, überarbeitet und ergänzt. Gemeinsam mit den Leitlinien zur besseren Rechtsetzung wird damit die Mitteilung zur besseren Rechtsetzung operationalisiert, deren verspätete Veröffentlichung Ende April Kritik hervorrief. Umso wichtiger ist jetzt dieses Bekenntnis der Kommission zu einer besseren Rechtsetzung sowie das konsequente Bemühen, das Europäische Parlament und vor allem den Rat an ihren Beitrag zu erinnern.
Die EU-Rechtsetzungspolitik ist für die Industrie unter anderem relevant, da sie den formalen Rahmen für Stakeholder-Eingaben steckt. Auch wird vorgezeichnet, welche Aspekte bei Folgenabschätzungen zu politischen Initiativen beachtet werden. BR ersetzt niemals politische Entscheidungen, ermöglicht aber möglichst informierte Abwägungen.
Der Verweis auf die politische Agenda im Werkzeugkasten, der eigentlich möglichst neutral sein soll, ist ein kritischer Balanceakt. Damit könnten Vorbehalte von Umweltorganisationen weiter abgebaut werden. Bezüge zum Green Deal werden etwa hergestellt, indem die UN-Nachhaltigkeitsziele bei Folgenabschätzungen als zentrale Referenzpunkte etabliert werden und den Abschätzungsverpflichtungen des Klimagesetzes nachgekommen wird. Die Darlegung, dass kein wichtiges Umweltziel verletzt wird („do no significant harm“), wird zum Standard. Das Vorsorgeprinzip ist sehr prominent verankert. Die Beachtung von Megatrends soll zu einer langfristigeren Politikperspektive beitragen.
Kritisch ist, dass breitere Strategien der Kommission keiner verpflichtenden Folgenabschätzung unterzogen werden, sondern nur die daraus folgenden Initiativen. Gerade eine grobe Folgenabschätzung könnte aber helfen, zentrale Zielkonflikte vorab zu vermeiden.
Der sektorale Wettbewerbsfähigkeitscheck bleibt Bestandteil von Folgenabschätzungen, der KMU-Test wurde überarbeitet. Der Begriff des Innovationsprinzips findet sich beim Innovationstool wieder. Erfreulich ist, dass auf moderne Instrumente wie „Regulatory Sandboxes“, die das Testen von Innovationen unter Real-Life-Bedingungen in Zusammenarbeit mit den Behörden ermöglichen, aufmerksam gemacht wird.
Neuordnung der Konsultationen
Stakeholder können mittels der „Have your say“-Seite (Link unten) Eckpunkte politischer Initiativen kommentieren und sich dort an öffentlichen Konsultationen beteiligen. Es fehlen aber klare Kriterien, wann auf diese Befragungen verzichtet wird.
Belastungsbremse nicht effektiv genug gezogen
Leider zeigt der Instrumentenkasten, dass die Kommission die Belastungsbremse „One-in-one-out“ für Unternehmen vorerst nur leicht schleifen lässt, anstelle sie effektiv zu ziehen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte versprochen, dass für jede zusätzliche regulatorische Bürde eine Entlastung im selben Politikbereich auf EU-Ebene erfolgen soll. Die vorläufige Konkretisierung lässt befürchten, dass die ursprünglich ohnehin schon pragmatische Ausgestaltung noch weiter verwässert wird. Es muss der Anspruch bleiben, dass belastete Unternehmen auch die Entlastungen direkt spüren.
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Martin Ludescher
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