14. September 2022 | Position
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VCI-Position kompakt - Gene-Editing
PDF | 118 kB | Stand: 14. September 2022
Gene-Editing ist eine der größten methodischen Innovationen in der Molekularbiologie seit mehr als 20 Jahren. Der Begriff steht für eine Reihe verschiedener Methoden, mit denen DNA-Bausteine von Mikroorganismen, Pflanzen und Säugetieren so präzise und zielgerichtet wie noch nie bearbeitet werden können.
Gene können ein- und ausgeschaltet, repariert, eingefügt, entfernt, ersetzt oder reguliert werden. Die Techniken sind im Vergleich zu herkömmlichen Methoden unkompliziert, zeitsparend und kostengünstig. Sie werden weltweit in der Medizin, biotechnischen Produktion und Landwirtschaft immer wichtiger. Gene-Editing eröffnet beispielsweise neue Möglichkeiten, um Krankheiten zu entschlüsseln und um ihre Vorbeugung, Behandlung und Heilung entscheidend zu verbessern beziehungsweise überhaupt erst zu ermöglichen.
EU-Gentechnikrecht nicht zweckmäßig
Der Europäische Gerichtshof befasste sich im Sommer 2018 mit der Frage, ob Gene-Editing unter das Gentechnikrecht fällt oder die im Gesetz verankerte Mutagenese-Ausnahme greift. Er entschied, dass mit Gene-Editing gentechnisch veränderte Organismen entstehen, die nach Gentechnikrecht zugelassen werden müssen. Das Urteil ist problematisch, weil es auf einer EU-Richtlinie von 2001 basiert, deren wissenschaftliche Grundlage wiederum aus den 1980er-Jahren stammt. Aktuelle naturwissenschaftliche Erkenntnisse wurden nicht berücksichtigt. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine im Frühjahr 2021 veröffentlichte Studie der EU-Kommission: Die geltenden Rechtsvorschriften seien für die neuen genomischen Techniken (NGT) nicht zweckmäßig und müssten an den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt angepasst werden. Eine pauschale Sicherheitsbewertung für alle Techniken sei nicht gerechtfertigt, da es unter anderem keinen signifikanten Unterschied in den Risiken der genetischen Veränderung zwischen NGTs, Kreuzung, Selektion und natürlicher Genmutation gebe. In der Studie stellte die Gruppe der leitenden wissenschaftlichen Berater der EU (SAM HLG) fest, dass die Sicherheit nur von Fall zu Fall beurteilt werden kann, da sie von den Eigenschaften des Produkts, seinem Verwendungszweck und der aufnehmenden Umwelt abhängt. NGTs sind international weit verbreitet – in der Landwirtschaft, in der industriellen Produktion und in der Gesundheitswirtschaft. In anderen Teilen der Welt sind NGT-Produkte bereits auf dem Markt. Der Großteil der Forschung und Entwicklung findet in Nicht-EU-Ländern statt, weshalb die EU-Kommission Wettbewerbsnachteile gegenüber Nicht-EU-Ländern befürchtet.
Deutschland und Frankreich sind in Europa führend in der Entwicklung von NGT-Anwendungen. Jedoch geraten beide Länder in allen Bereichen der Biotechnologie, sowohl wissenschaftlich als auch wirtschaftlich, zwangsläufig gegenüber den derzeit richtungsweisenden Ländern China und USA zunehmend ins Hintertreffen, wenn sie in der EU nicht wettbewerbsfähig eingesetzt werden kann.
Als Konsequenz der EU-Studie wurde im Sommer 2022 eine öffentliche Konsultation zu einem neuen Rechtsrahmen für NGT-Pflanzen durchgeführt. Das Ergebnis soll in einen Legislativvorschlag der EU-Kommission einfließen, der voraussichtlich Anfang 2023 vorliegt.
DAFÜR SETZT SICH DER VCI EIN
- Naturwissenschaftliche und differenzierte Einzelfallbewertung von Gene-Editing
Das europäische Gentechnikrecht muss an den modernsten technologischen und naturwissenschaftlichen Entwicklungs- und Erkenntnisstand angepasst werden und für neue Entwicklungen offen sein. Zukünftige Gesetzgebungen sollten auf einer naturwissenschaftlich begründeten Risikobewertung der Produkte basieren – nicht auf deren Herstellungsmethode. - Vorsorge betreiben und Chancen wahrnehmen
Das Vorsorgeprinzip ist ein richtiger Ansatz zum Umgang mit Risiken und zu Recht eine Leitlinie der Europäischen Verträge. Doch muss der Umgang mit Chancen auch in die Bewertung neuer Verfahren einfließen. Gerade am Industriestandort Deutschland sollten die Chancen der Biotechnologie stärker anerkannt und neueste Anwendungen schneller als bisher aus den Laboren in die Produktion und auf den Markt gebracht werden.
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